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HAMBURG/MOSKAU
Staaten unter sich
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Von dpa-Korrespondent Eckart Gienke
 |  aktualisiert: 23.10.2012 19:13 Uhr

Mit der Übernahme der russisch-britischen TNK-BP durch den Staatskonzern Rosneft verliert der private Sektor weiteren Einfluss im Ölgeschäft. Das größte Business der Welt wird nun von staatlichen Unternehmen dominiert. Die jährlichen Einnahmen des Ölsektors werden auf rund drei Billionen US-Dollar geschätzt, das sind 3000 Milliarden. Firmen wie ExxonMobil, Shell und Chevron gehören zu den größten Unternehmen der Welt, mit Jahresumsätzen so hoch wie die Budgets kleinerer Staaten und Gewinnen von mehreren 100 Millionen Dollar – pro Woche. Und doch sind sie nur die kleineren Mitspieler in dem riesigen Business.

Das allermeiste Öl fördern staatliche Konzerne. Das gilt im größten Ölförderland Saudi-Arabien ebenso wie in Kuwait oder im Iran, in China oder Venezuela. Manchmal sind private Investoren beteiligt, wie bei der brasilianischen Petrobras und auch bei der russischen Rosneft. Meistens jedoch nicht.

Von den knapp vier Milliarden Tonnen Öl, die jedes Jahr gefördert werden, entfallen nur rund 15 Prozent auf den privaten Sektor. Ganz genau weiß es niemand, weil die Datenlage nicht gut ist. Nicht alle staatlichen Ölförderer veröffentlichen ihre Fördermengen und Umsätze. Größter Ölkonzern der Welt ist aber nicht ExxonMobil, sondern Saudi Aramco. Der saudische Staatskonzern fördert etwa viermal so viel Öl wie der Energiemulti aus den USA, das neben Apple teuerste Unternehmen auf dem Globus. Die Zeiten, als die Ölkonzerne die Reserven und Gewinne unter sich aufteilen konnten, sind vorbei. Bis vor gut 40 Jahren war Ölförderung eine Sache von Exxon, Shell, BP und ein paar anderen Konzernen, die als „sieben Schwestern“ den Markt im Griff hatten. Der Ölpreis war aus heutiger Sicht unfassbar niedrig, die Gewinne trotzdem hoch. Die großen Mineralölkonzerne legten den Ölpreis ganz offiziell gemeinsam fest. Bis die Länder im Mittleren Osten die Ölmultis verstaatlichten und die Ausbeutung ihrer Bodenschätze in die eigene Hand nahmen.

Mit dem Förderkartell der Opec hatten sie ein wirksames Instrument, in den 1970er Jahren den Preis zu diktieren. Die Opec ist immer noch einflussreich, aber seitdem setzte sich der Markt wieder stärker durch; inzwischen ist Rohöl ein Spekulationsobjekt. Russland ist mit einer Förderung von 511 Millionen Tonnen (2011) der zweitgrößte Ölförderer der Welt und leistet mit Abstand den größten Beitrag zur deutschen Ölversorgung, mehr als ein Drittel. Der Rosneft-Deal wird daran nichts ändern; die Rohöllieferungen aus Russland bekommen nur einen neuen Absender. Der staatliche Einfluss auf den Rohstoffsektor wird in Russland wieder stärker. Nach dem Ende der Sowjetunion war die Energiewirtschaft weitgehend privatisiert worden und einige Oligarchen wurden schwerreich. Nun schwingt das Pendel zurück.

Die staatliche Dominanz bei der Ölförderung ist für die Verbraucher in den Industrieländern eher ungünstig. „Vielerorts bestimmt nicht der Markt über Investitionen und Förderung, sondern lokale Eliten“, schreibt Enno Harks, der bei BP arbeitet. „Deshalb fehlen Produktionskapazitäten, was sich wiederum negativ auf den Preis auswirkt.“

Andere Branchenkenner sehen das ähnlich. „Die Entscheidungen über Investitionen werden bei staatlichen Gesellschaften auch nach politischen Gesichtspunkten getroffen“, sagt der Hamburger Energieexperte Steffen Bukold. Dadurch werde nicht zwingend, aber wohl in der Tendenz, insgesamt weniger und ineffektiver investiert als bei einem wachstums- und profitorientierten privaten Unternehmen. Im Extremfall, etwa in Mexiko, bleiben die Investitionen über Jahre zu gering, weil der Staat die Mittel anders verwenden will. Unter den Bedingungen einer weltweit vollständig privaten Ölwirtschaft gäbe es vermutlich mehr Öl zu niedrigeren Preisen.

Den privaten Konzernen ist der Zugang zu vielen reichen Ölvorkommen versperrt. Sie bemühen sich, in Russland, Kasachstan oder Afrika einen Fuß in der Tür zu behalten. Wegen ihres Know-hows und Kapitals werden sie auch regelmäßig an Erkundungs- und Förderprojekten beteiligt. Oft weichen die Konzerne aber auch aus, auf schwer zugängliche Vorkommen auf dem Meeresboden oder in der Arktis oder entwickeln neue Technologien, um Öllagerstätten effektiver auszubeuten. Bei den meisten aber schrumpft das Ölgeschäft – vor allem, weil sie lieber in Gasvorkommen investieren. Denn Gas ist die fossile Energie mit den besten Wachstumsaussichten.

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