zurück
MÜNCHEN
Skepsis über neues Elektromüllgesetz
Entsorgung: Künftig kann man Elektroschrott auch beim Händler kostenlos wieder loswerden. Eine vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesreform verpflichtet große Fachgeschäfte zur Rücknahme von Altgeräten.
Foto: Bernd thissen, dpa | Entsorgung: Künftig kann man Elektroschrott auch beim Händler kostenlos wieder loswerden. Eine vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesreform verpflichtet große Fachgeschäfte zur Rücknahme von Altgeräten.
reda
 |  aktualisiert: 09.10.2016 16:55 Uhr

Der alte Rasierapparat oder das Handy tut es nicht mehr? Künftig kann man solchen Elektroschrott auch beim Händler kostenlos wieder loswerden. Eine kürzlich vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzesreform verpflichtet große Fachgeschäfte zur Rücknahme von Altgeräten. Das Ziel: Die Entsorgung soll leichter werden, damit mehr wertvolle Rohstoffe aus den Altgeräten recycelt werden können. Aber wie praktikabel ist die Regelung? Industrie und Verbraucherschützer haben Zweifel, und manche Händler fürchten eine Rückgabe-Welle.

Rund 780 000 Tonnen Elektromüll wurden laut Umweltbundesamt deutschlandweit zuletzt pro Jahr eingesammelt, darunter Toaster, Fernseher, Computer, Mixer, Waschmaschinen und Kühlschränke. Hinzu kommen geschätzte 500 000 Tonnen ausrangierte Geräte, die pro Jahr erst gar nicht in Recyclinganlagen ankommen und damit nicht fachgerecht entsorgt werden.

Vor allem viele Kleingeräte landen im Hausmüll und wandern in die Verbrennung, andere werden illegal exportiert oder verstauben in Kellern von Privatleuten. Dabei enthalten die Geräte wahre Schätze – von Kupfer über Zinn bis hin zu Gold. Um mehr davon zu heben, will der Gesetzentwurf von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) mehr Rückgabemöglichkeiten schaffen: Elektrogeschäfte mit einer Verkaufsfläche von mehr als 400 Quadratmetern sollen demnach ausrangierte Geräte beim Kauf eines gleichwertigen neuen Geräts kostenlos zurücknehmen. Bis maximal 25 Zentimeter Kantenlänge können die Geräte auch ohne Neukauf und Kassenbon zurückgegeben werden. Wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, soll das Gesetz bis Jahresende in Kraft treten.

Aber gehen die Kunden künftig wirklich mit ihren alten Staubsaugern und Bügeleisen auf Shoppingtour? Was ist mit den vielen Spontankäufen, beispielsweise im Weihnachtsgeschäft? Und wie misst man eigentlich die Kantenlänge einer Kaffeemaschine? Das Gesetz stoße an Praktikabilitätsgrenzen, heißt es bei Experten. Auch die künftige Vielfalt der Sammelstellen wird teils kritisch gesehen. Statt für mehr Rücklauf von Altgeräten zu sorgen, dürften Rücknahme und Transport kleinteiliger und komplizierter werden, bemängelt etwa der Hausgerätehersteller BSH. Ähnlich sehen es die Branchenverbände ZVEI und Bitkom – und verweisen auf eine schlechtere CO2-Bilanz.

Europas größter Elektrofachhändler Media Saturn steht der Neuregelung erst einmal positiv gegenüber: Man begrüße jede Initiative, die das bestehende Sammel- und Entsorgungssystem verbessere, sagt eine Sprecherin. Die bürokratischen und finanziellen Mehrbelastungen für die Händler sollten dabei allerdings „in einem verträglichen und wirtschaftlich darstellbaren Rahmen“ bleiben. Der Bundesverband E-Commerce wiederum fürchtet, dass Online-Händler von Paketen mit Elektromüll regelrecht überschwemmt werden könnten. Aber auch Verbraucherschützer sind nicht begeistert von der Gesetzesreform. Dass die Rücknahmepflicht auf den größeren Handel beschränkt sei, verkompliziere die Sache, sagt Hyewon Seo, Referentin für Kreislaufwirtschaft beim Verbraucherzentrale Bundesverband. Den Zielen Umweltschutz und Ressourcenschonung werde das Gesetz damit nicht ausreichend gerecht.

Zuversichtlicher zeigt sich die Entsorgungswirtschaft: Wenn es mehr Sammelstellen gibt, dürften die Verbraucher diese auch verstärkt nutzen und ihren Elektroschrott seltener im Hausmüll verschwinden lassen, erwartet der Branchenverband BDE.

Grundsätzlich sei die Bereitschaft zur Mülltrennung in Deutschland sehr groß. Dass man bisher mit einem kaputten Toaster oder Föhn aber zum Wertstoffhof fahren musste, sei vielen Leuten zu aufwendig gewesen, sagt BDE-Präsident Peter Kurth. „Heute werden geschätzt 70 Prozent der Elektrokleingeräte über den Restmüll und die Müllverbrennung entsorgt. Wir rechnen damit, dass das neue Elektro- und Elektronikgerätegesetz hier zu einer wesentlichen Verbesserung führt.“

Verwertung von Elektroaltgeräten

In Deutschland wurde für die Entsorgung von Elektroaltgeräten die sogenannte geteilte Produktverantwortung eingeführt. Dies bedeutet, dass wesentliche Pflichten zum einen bei den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE), zum anderen bei den Herstellern von Elektro(nik)geräten liegen.

Die örE sind verpflichtet, Sammelstellen für Elektroaltgeräte einzurichten und diese dort kostenlos zurückzunehmen. Dies geschieht derzeit an rund 1500 kommunalen Sammelstellen wie etwa den Wertstoffhöfen der Region. Die Hersteller können außerdem freiwillig eigene Rücknahmesysteme anbieten. Auch der Handel darf Elektroaltgeräte freiwillig zurücknehmen.

Die Verbraucher sind verpflichtet, Elektroaltgeräte auf einem dieser Wege abzugeben. Für die sachgerechte Entsorgung der zurückgenommenen Elektroaltgeräte sind die Hersteller verantwortlich. Quelle: Umweltbundesamt

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Abfallbeseitigung
Barbara Hendricks
Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie
Bundeskabinett
Deutscher Bundesrat
Deutscher Bundestag
Elektromüll
Gesetzesreformen
Media Saturn
Peter Kurth
SPD
Umweltbundesamt
Verbraucherschützer
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen