Reisebranche, Luftfahrt, Gastgewerbe, Kurierdienste und Fahrzeugbau – das sind in Deutschland mit großem Abstand die Branchen mit den heftigsten Einschnitten wegen der Corona-Krise. Deren Wirtschaftsleistung sei während des Shutdowns um bis zu 84 Prozent zurückgegangen, haben das Ifo-Institut und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung vergangene Woche in einer gemeinsamen Studie herausgefunden.
Was den Fahrzeugbau angeht, zieht Corona viele Zulieferbetriebe in den Schlamassel. ZF gehört dazu. In den Werken in Schweinfurt ist momentan etwa die Hälfte der Beschäftigten in Kurzarbeit. Standortleiter Hans-Jürgen Schneider sagt im Interview, dass die Lage beim größten Arbeitgeber der Region noch nicht ernst ist. Das könne sich aber in wenigen Monaten ändern.
Hans-Jürgen Schneider: Das hängt davon ab, wie lange diese schwierige Phase dauert. Wir haben bis Ende Juni Kurzarbeit im Plan, gehen aber davon aus, dass es sich bis Ende des Jahres hinziehen wird. Aktuell muss niemand um seinen Job fürchten. Wenn sich der Markt allerdings langfristig nicht richtig erholt, wird Ihre Frage relevant werden.
Schneider: Wenn wir im zweiten Halbjahr wieder auf einen vernünftigen Sockel kommen, dann kriegen wir das Ganze hin. Wenn es ins nächste Jahr hinläuft, dann wird es ernst.
Schneider: Wir sind sehr diversifiziert aufgestellt. Das hängt davon ab, wie sich der Pkw- und Nutzfahrzeuge-Markt, aber auch der Markt im Bereich Schiene und Sonderanwendungen entwickelt und vor allem, wie die E-Mobilität wächst. Die genaue Entwicklung kann niemand vorhersagen und wenn ich das für die Zukunft wüsste, würde ich damit gerade viel Geld verdienen. Wir fahren wie alle Unternehmen derzeit auf Sicht, das heißt, wir planen monatlich unsere liquiden Mittel und versuchen, uns und unsere Finanzen zu optimieren. Und zwar in dem Sinne, die Arbeitsplätze zu sichern und zu erhalten.
Schneider: Da gibt es keine Zahl. Es werden irgendwann wieder Autos gebraucht. Das Auto wird ja jetzt nicht abgeschafft wegen Corona. Ich bin der Meinung, Mobilität ist ein Grundbedürfnis in der Gesellschaft. Wir befinden uns aktuell in der Transformation hin zur E-Mobilität. Da sind wir in Schweinfurt sehr gut aufgestellt, weil wir zukünftig wichtige Produkte im Portfolio haben und alle Varianten der E-Mobilität unterstützen. Das kompensiert einige Marktveränderungen, die durch die Corona-Krise im Nachgang entstehen. Aber wie viel, wie stark, wie schnell – das kann heute niemand sagen.
Schneider: Die fehlende Nachfrage seitens der Kunden. Wir sind aufgrund unserer Größe schon immer Beschaffungsweltmeister gewesen. Wir konnten lokale Krisen schon immer managen. Ein chinesischer Lieferant etwa kann durch einen europäischen oder nordamerikanischen ersetzt werden – und umgekehrt. Corona schlägt ja nicht gleichzeitig an allen Punkten der Welt zu. Das hilft uns in der Beschaffung. Wenn es aber an diejenigen, die die Autos und die Lkws bauen, nichts zu verkaufen gibt, dann haben wir ein Problem.
Schneider: Das tun wir gerade, abhängig von den unterschiedlichen Märkten. Denn das ist unser Geschäft: flexibel auf die Volatilität von Märkten zu reagieren.
Schneider: Das stimmt, es ist keinesfalls leicht. Aber wir haben in Schweinfurt eine entsprechende Infrastruktur, die sich über die letzten Jahrzehnte hinweg bewährt hat. Und das Ganze kombiniert mit einer internationalen Vernetzung von ZF, auf die wir setzen können. Wir können innerhalb der Werke von A nach B schieben. Sei es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu verlagern, zu versetzen oder temporär auszutauschen – diese Klaviatur können wir seit Jahren spielen und diese Erfahrung hilft uns gerade sehr. Hinzu kommt auch die seit Jahren gute und lösungsorientierte Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung.
Schneider: Dass wir unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefährden. Es wäre fatal, wenn wir in unsere Werke die berühmte zweite Infektionswelle holen. Es ist somit sehr wichtig, dass wir sehr kalkuliert und sehr sorgfältig den Hochlauf zusammen mit den Beschäftigten umsetzen. So fahren wir dann Linie für Linie hoch und nicht alle gleichzeitig.
Schneider: Bis dato nicht. Es ist aber auch nicht nötig, weil wir schon in sehr engem Kontakt mit den Behörden stehen und unsere Maßnahmen mit ihnen abstimmen. Wir gelten als sehr seriös in der Umsetzung. Deshalb steht Vertrauen vor Kontrolle. Unabhängig davon ist es uns selbst am wichtigsten, dass sich alle an die ausgegebenen Regeln halten. Und da sind wir sehr streng.
Schneider: Ich glaube nicht, dass das Gesetz so durchgeht. Wenn doch, dann müssen wir es eben befolgen. Bei uns arbeiten rund die Hälfte mehr oder weniger direkt in den Produktionsbereichen, die andere Hälfte im sogenannten indirekten Bereich wie Verwaltung, Entwicklung und Vertrieb. Wir haben bereits eine hohe Quote von mobiler Beschäftigung im indirekten Bereich. Diese Quote haben wir wegen Corona sogar erhöht. Dabei haben wir festgestellt, dass uns die Digitalisierung Vorteile bringt. Ich erwarte, dass wir künftig diese Instrumente noch mehr nutzen werden als vorher. Ich wage zu behaupten, dass wir nach der Corona-Krise sehr viel weniger reisen werden, weil wir dann vieles virtuell umsetzen. In der Produktion macht das Thema Homeoffice aber schlicht und ergreifend keinen Sinn.
Schneider: Ja. Die Guten werden sogar gestärkt aus der Krise herausgehen.
Schneider: Nein. Gut heißt nicht groß. Gut heißt: agil, schnell, flexibel. Büchs ist mit Jopp auf jeden Fall unter den Guten. So wie wir.
Schneider: Ich schlafe sehr gut. Wenn ein Schiff in einen Sturm gerät, kommt es auf eine gute und erfahrene Mannschaft an. Wir sind jetzt gefordert, das Schiff ZF auf Kurs zu halten. Es ist keine Kunst, ein Schiff in ruhiger See zu fahren. Aber es ist auch nicht das erste Mal, dass wir in unserer 125-jährigen Geschichte des Standortes Schweinfurt eine Krisensituation meistern. Wir sind sicherlich angespannt, man kann auch sagen: besorgt. Aber wir haben keine Angst. Denn Angst ist ein schlechter Lehrmeister.