
Millionen Arbeitnehmer in Deutschland erhalten kurz vor dem Jahresende extra Geld. Das sogenannte Weihnachtsgeld steigt in den meisten Fällen parallel zu den Tarifgehältern, doch längst nicht jeder kann davon profitieren. Nur ein Teil der Zahlungen ist zudem vor Kürzungen geschützt.
Zunächst einmal ein schwammiger, gesetzlich nicht geregelter Begriff für eine Sonderzahlung. „Den Ausschlag gibt eigentlich der Auszahlungstermin zum Jahresende“, sagte Tarifexperte Reinhard Bispink vom WSI-Tarifarchiv. Grundlage des Anspruchs ist in den meisten Fällen ein Tarifvertrag, der in aller Regel einen Prozentsatz zwischen 25 und 100 Prozent des Monatseinkommens nennt. Bei Tariferhöhungen steigt so auch das Weihnachtsgeld automatisch, es gibt aber auch Fixbeträge. Neben den tariflichen Zahlungen sind durchaus auch freiwillige Leistungen der Arbeitgeber üblich, die aber unter Vorbehalt gestellt werden können. Das ist insbesondere für die Frage wichtig, ob die Arbeitnehmer auch in den kommenden Jahren wieder mit gleichem Geld rechnen dürfen.
Nur gut die Hälfte der Arbeitnehmer in Deutschland, hat eine Umfrage des WSI-Tarifarchivs der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung ergeben. Der am Montag genannte Anteil beträgt 54 Prozent und entspricht den Werten aus den Vorjahren. Entscheidend ist vor allem die Frage, ob die Betroffenen nach einem Tarifvertrag bezahlt werden. 71 Prozent der Tarifbeschäftigten haben ein Anrecht auf Weihnachtsgeld, ohne Tarifvertrag sind es nur 42 Prozent. In Folge der unterschiedlichen Tarifbindung gibt es starke Unterschiede zwischen West und Ost, Mann und Frau sowie Vollzeit und Teilzeit.
Nicht, wenn es sich um ein tariflich vereinbartes Weihnachtsgeld handelt. Häufig ist die Zahlung im Manteltarif festgehalten, der bei Verhandlungen nur in seltenen Fällen „aufgemacht“ wird. „Da geht man ungern ran“, sagte der Tarifexperte Hagen Lesch vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Freiwillige Zahlungen können hingegen gekappt werden, wenn in den Vorjahren immer klar war, dass sie veränderbar sind. Zahlt ein Arbeitgeber freiwillig und ohne Vorbehalt über mehrere Jahre hinweg immer das gleiche Weihnachtsgeld, entsteht nach Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine „betriebliche Übung“, auf die sich die Arbeitnehmer dann verlassen können.
Wie das gesamte Tarifrecht sind die Regelungen zum Weihnachtsgeld historisch gewachsen und daher von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Für Angestellte des öffentlichen Dienstes und in der Stahlindustrie werden die Sonderzahlungen Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusammengezogen. In einigen Ländern erhalten sogar pensionierte Beamte Weihnachtsgeld und werden damit eindeutig bessergestellt als Rentner. Keine Nachahmer hat die Regelung aus der Chemie gefunden, wo die Tarifpartner für das Weihnachtsgeld eine Spanne vorgegeben haben, innerhalb derer je nach Geschäftsverlauf auf Betriebsebene das Weihnachtsgeld ausgehandelt werden kann. Die Sonderzahlung, die im Einzelfall 125 Prozent erreichen kann, wird so einer Erfolgsbeteiligung etwas ähnlicher. Nicht tarifgebundene Unternehmen bevorzugen ertragsorientierte Modelle, sagt IW-Tarifexperte Lesch.
Sie geben es meistens sofort wieder aus. Das Weihnachtsgeld in Milliardenhöhe wirkt im Weihnachtsgeschäft wie ein Turbo, wenngleich der Einzelhandelsverband HDE keine genauen Summen nennen kann. Die GfK-Konsumforscher aus Nürnberg gehen davon aus, dass ein großer Teil der Sonderzahlungen in Geschenke, Urlaubsreisen oder auch in den feierlichen Rahmen des Weihnachtsfestes geht. Viele Menschen sorgen mit der zusätzlichen Zahlung aber auch fürs Alter vor und bezahlen per Gehaltsumwandlung in ihre Verträge ein. Vor allem in den unteren Lohngruppen ist das zusätzliche Geld fest für alltägliche Ausgaben verplant.
Extra-Geld, ja oder nein?
Anspruch: Arbeitnehmer haben generell keinen Anspruch auf Weihnachtsgeld. „Wer unsicher ist, wirft am besten einen Blick in den Arbeitsvertrag“, rät Hans-Georg Meier, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Enthält der hierzu keine Regelungen, können Arbeitnehmer in den Tarifvertrag und die Betriebsvereinbarungen schauen. Auch dort können Ansprüche auf Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld stehen. Ist das nicht der Fall, gehen sie in der Regel leer aus.
Ausnahmsweise kann es einen Anspruch aus „betrieblicher Übung“ geben: wenn der Arbeitgeber mindestens drei Jahre hintereinander Weihnachtsgeld gezahlt hat, ohne darauf hinzuweisen, dass es sich um eine einmalige Zahlung handelte. Text: dpa