Ein Strafverfahren gegen die acht hochkarätigen Ex-Mitarbeiter der Schaeffler AG (Herzogenaurach) wegen mutmaßlicher Schmiergeldzahlungen bei Türkei-Geschäften ist noch gar nicht eröffnet, da will sich der Konzern über ein Arbeitsgerichtsverfahren schon einmal die Vollstreckung von möglichen Forderungen in Höhe von 12,7 Millionen Euro aus deren Vermögen sichern. So hoch, meint Schaefflers Armada an Anwälten, dürften Bußgeld plus Anwaltskosten ausfallen, sollte der Industrietechnik- und Automotive-Hersteller wegen strafbaren Verhaltens seiner Ex-Mitarbeiter verurteilt werden.
Die Schweinfurter Kammer des Arbeitsgerichts Würzburg tagt üblicherweise in einem überschaubaren Gerichtssaal. Für diesen Auftrieb an Anwälten und Hilfspersonal reichte der aber bei weitem nicht aus, weshalb das dreiköpfige Gericht den großen Sitzungssaal des Staatlichen Bauamts im Nachbargebäude in Anspruch nehmen musste. Allein die Schaeffler AG war mit acht Anwälten vertreten, die acht „Antragsgegner“ jeweils mit einem bis zwei.
Worum geht es im Kern? Um den Verdacht der Bestechung und Untreue in Form von Schmiergeldzahlungen in der Türkei. Zwischen 2004 und 2011 sollen aus den Kassen des türkischen Büros in 150 Fällen 710 000 Euro Schmiergeld gezahlt worden sein, um unmittelbar Aufträge zu bekommen oder aber Informationen, um das eigene Angebot an die Offerten der Konkurrenten so anzupassen, dass am Ende ebenfalls der Auftrag steht. 25,5 Millionen Euro Umsatz sollen auf diesem Wege generiert worden sein. So umriss zum Auftakt der Vorsitzende Richter den Sachstand.
Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet, nachdem der „Compliance“-Verantwortliche des Unternehmens den Schaeffler-Chef Klaus Rosenfeld über Steuer-Probleme in der Türkei informiert hatte. Weil dem Unternehmen eine hohe Geldbuße wegen möglicher Schmiergeldzahlungen (Untreue, Korruption) drohen könnte, hätten Aufsichtsrat und Präsidium im Januar beschlossen, gegen die acht Personen einen „Anspruch auf dinglichen Arrest“ von Vermögenswerten geltend zu machen – in Höhe von 12,7 Millionen Euro.
Die Schaeffler AG will sich also per Arbeitsgerichtsbeschluss die Vollstreckung in die Millionen ihrer Ex-Mitarbeiter für den Fall sichern, dass sie aufgrund eines Korruptionsverhaltens ihrer Ex-Mitarbeiter ein hohes Bußgeld aufgebrummt bekommt und Regressansprüche gegenüber ihren Ex-Mitarbeitern bestehen.
Die acht „Antragsgegner“ argumentierten heftig dagegen an: Weder sei ein Schaden beziffert noch eingetreten, ja nicht einmal der Verfahrensstand bekannt. Ob „Arrestanspruch“ besteht, sei unklar, seine etwaige Höhe nicht beziffert, die Frage einer Verjährung sei offen und ebenso, ob ein möglicher Unternehmensschaden dieser Art nicht versichert sei.
Laut einem der Schaeffler-Anwälte gebe es für vorsätzliche Straftaten wie Bestechung oder Untreue keine Unternehmensversicherung. „Sind Sie sicher?“, warf ein Schweinfurter Anwalt ein, der zwei der Antragsgegner vertritt. Zumindest sei ihm keine Versicherung bekannt, die Schäden infolge strafbaren Handelns abdecke, so die Antwort.
Nach Ansicht der Schaeffler-Juristen hätten mindestens fünf der Ex-Mitarbeiter auch persönlich insofern von den angeblichen Schmiergeldzahlungen profitiert, indem sie so Umsätze und damit auch eigene Gehaltsbestandteile erhöht hätten. Ein Anwalt sagte, wenn Straftaten begangen worden seien, dann zu Gunsten des Unternehmens. Schaeffler habe davon profitiert, Schmiergeldzahlungen seien „eingepreist“. Es sei ja zu Lasten der Schaeffler AG noch nicht einmal ein Strafverfahren eingeleitet worden, und selbst für den Fall einer Unternehmensgeldbuße sei noch die Frage offen, ob diese durch eine Versicherung abgedeckt sei. Sämtliche Anwälte der acht früheren Schaeffler-Mitarbeiter beantragten, das Schaeffler-Begehren auf Sicherung der Vollstreckung von möglichen Forderungen von knapp 13 Millionen Euro aus dem Vermögen ihrer Mandanten durch dieses Eilverfahren zurückzuweisen. Seinen Beschluss wird das Gericht am Montag um 12 Uhr verkünden.