Noch ist Griechenland nicht über den Berg. Von allen Euro-Problemstaaten steckt es hinsichtlich Rezession, Arbeitslosigkeit und Schuldenstand weiterhin am tiefsten im Schlamassel. Aber an den Finanzmärkten wächst die Zuversicht, dass der Krisenstaat die Kurve kriegen kann. Abzulesen ist das an steigenden Kursen griechischer Staatsanleihen. Mit der Note „B-“ rangieren Griechen-Bonds bei Ratingagenturen wie Fitch und Standard & Poor’s noch in der Liga der Schrottpapiere.
Solche Anlagen gelten als hochspekulativ. Aber immer mehr institutionelle Anleger nehmen wieder griechische Staatsanleihen in ihre Portfolios, und auch risikobereite Privatanleger greifen zunehmend zu den Papieren. Das treibt die Kurse. Spiegelbildlich fallen die Renditen. Nachdem der Jahresertrag der zehnjährigen griechischen Anleihe im Januar bei zwölf Prozent lag, beträgt er jetzt nur noch rund acht Prozent. Wer im Mai 2012 die 2023 fällige griechische Staatsanleihe zum damaligen Tiefstkurs von 14 Prozent ins Depot nahm, kann sich heute über einen Kursgewinn von rund 370 Prozent freuen.
Der steile Kursanstieg spiegelt eine grundsätzlich veränderte Wahrnehmung wider: Während im Frühjahr 2012 an den Märkten noch die Furcht vor einem Staatsbankrott Griechenlands umging, ist der „Grexit“, also ein Abschied des Landes vom Euro, inzwischen kein Thema mehr. Stattdessen setzen die Märkte auf „Grecovery“, eine Rückkehr Griechenlands zum Wachstum.
Griechenland profitiert nicht zuletzt von den Fortschritten, die Portugal und Irland bei der Krisenbewältigung machen. Das stärke insgesamt die Hoffnung der Anleger auf eine Lösung der Euro-Schuldenkrise und mache die Bonds der Krisenstaaten wieder attraktiv, sagen Marktbeobachter. Dem griechischen Finanzminister Giannis Stournaras kommt die Bond-Rallye nicht ungelegen, denn er hofft, bereits im kommenden Jahr an den Finanzmarkt zurückkehren zu können. Es wäre für Griechenland die erste Emission seit dem Dezember 2009. Vorerst denkt Stournaras wohl nur daran, den Markt mit einem kleinen Emissionsvolumen zu testen. Dennoch wäre es ein wichtiges Signal, wenn Griechenland sich wieder am Markt refinanzieren kann.
Voraussetzung dafür ist aber, dass die Renditen weiter sinken. Dass es so kommt, erwartet Paul Kazarian, Gründer und Chef der Investmentholding Japonica, die seit über einem Jahr systematisch griechische Staatsanleihen kauft. Kazarian attestiert Griechenland, es habe „geschafft, was die meisten für unmöglich hielten“. Athen hätte ein Rating von „A+“ verdient, und schon früh im nächsten Jahr werde die Rendite der Griechen-Bonds auf fünf Prozent fallen, glaubt der Investor.
Es bleiben allerdings Risiken, wie ja auch die Einstufung durch die Ratingagenturen unterstreicht. Zwar meldet Athen Erfolge beim Defizitabbau, doch es ist strittig, wie nachhaltig die Konsolidierung der Staatsfinanzen wirklich ist. Auch ist keineswegs sicher, dass Griechenland, wie von der Regierung prognostiziert, im kommenden Jahr zum Wachstum zurückkehrt.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s, aber auch das griechische Wirtschaftsforschungsinstitut Kepe erwarten, dass sich die bereits seit sechs Jahren anhaltende Rezession auch 2014 fortsetzen wird. Das würde die Berechnungen zum Schuldenabbau über den Haufen werfen, könnte neue soziale Spannungen auslösen und sogar die konservativ-sozialdemokratische Regierungskoalition in Athen zu Fall bringen. Dann wäre die Euro-Krise sehr schnell wieder da.
Harte Verhandlungen mit der Troika
Seit Dienstag verhandeln die Experten der Troika wieder in Athen, am Montag werden die Delegationschefs erwartet. Sie fordern weitere Einschnitte. Aber die griechische Regierung sträubt sich gegen neue Sparauflagen: Zusätzliche Kürzungen bei Gehältern und Renten werde es nicht geben, die griechische Gesellschaft könne keine weiteren Lasten tragen, heißt es in einer Koalitionsvereinbarung, die Ministerpräsident Antonis Samaras mit seinem sozialistischen Vizepremier Evangelos Venizelos traf.
Selten war das Klima vor einer Troika-Inspektion so gereizt wie jetzt. Die Fronten sind verhärtet. Eine Finanzlücke von über zwei Milliarden Euro wollen die Inspekteure der EU, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds für 2014 ausgemacht haben. Sie verlangen Ausgabenkürzungen. Finanzminister Giannis Stournaras dagegen beziffert den Fehlbetrag auf rund 500 Millionen und verspricht, die Lücke im Rahmen des bisherigen Sparprogramms schließen zu können.
Ein weiterer Streitpunkt sind die bisher nur schleppend umgesetzten Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst. Bis Ende 2014 soll Griechenland 15 000 Staatsbedienstete feuern und 25 000 in eine sogenannte Mobilitätsreserve überstellen, was für viele die spätere Entlassung bedeuten dürfte. Streit mit der Troika gibt es auch um die Zukunft der defizitären staatlichen Rüstungsfirmen EAS und ELVO sowie des Minenunternehmens LARKO. Die Troika verlangt die Schließung der Firmen.
Angesichts einer Rekord-Arbeitslosenquote von knapp 28 Prozent will Premier Samaras weitere Entlassungen möglichst vermeiden. Andererseits braucht Griechenland Geld. Vom Ergebnis der Troika-Verhandlungen hängt die Auszahlung einer bereits für Oktober erwarteten Kreditrate von einer Milliarde Euro ab. Auch weitere Zahlungen geraten in Gefahr, wenn die Regierung sich mit den Inspekteuren überwirft. Staatspräsident Karolos Papoulias will dennoch hart bleiben. text: höhler