
Die Farbe Rot dominiert zurzeit die Einkaufsstraßen in Deutschland. Zum Ende der Sommersaison überbieten sich die Händler mit Rabattaktionen. H&M lockt zum „Final Sale“ mit Preissenkungen von bis zu 70 Prozent. Gerry Weber verspricht „20 Prozent zusätzlich auf reduzierte Artikel“.
Doch auch kleine Läden werben in großen Lettern mit dem Versprechen einer „letzten Reduzierung“ um Kunden. War da noch was? Ach ja, am kommenden Montag beginnt der Sommerschlussverkauf (SSV).
Der Bundesverband des Textileinzelhandels (BTE) pries den SSV in dieser Woche noch einmal als den „ultimativen End- und Höhepunkt der Reduzierungsphase“ an. Zum Start des großen Verramschens gebe es noch „eine große Auswahl an sommerlicher Bekleidung und Schuhen – auch wenn nicht alle Modelle in allen Größen noch auf Lager sind“.
Nach einer Umfrage der Beratungsgesellschaft EY wollen in diesem Jahr sogar deutlich mehr Händler am Sommerschlussverkauf teilnehmen als vor einem Jahr: nämlich 60 Prozent – nach 44 Prozent im Sommer 2014. Doch auch wenn die Werbetrommel für den SSV noch einmal kräftig gerührt wird, kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass der traditionelle SSV in den vergangenen Jahren dramatisch an Bedeutung verloren hat.
„Früher gingen am SSV-Montag die Türen auf und die Menschenmassen strömten in den Laden. Heute gibt es das nirgends mehr“, sagt Bettina Grüninger, Dozentin an der Akademie für Modemanagement im baden-württembergischen Nagold.
Denn heute kann es sich kein Händler mehr leisten, mit Preissenkungen bis Ende Juli zu warten. Der Schlussverkauf oder Final Sale wird immer häufiger ergänzt durch einen Pre-, Mid- und End-Season-Sale – durch Rabatte zum Beginn, in der Mitte und zum Ende der Saison.
„Es gibt heute schon frühzeitig aggressive Rabatte – oft zu einem Zeitpunkt, wenn viele Kunden gerade erst anfangen, nach der neuen Ware zu gucken“, beobachtet Grüninger. Ein wichtiger Grund dafür sei der Waren- und Preisdruck, der von Ketten wie H&M oder Discountern wie Primark ausgehe. Rabatte sind deshalb inzwischen Alltag im Textilhandel. „Gut organisierte Unternehmen räumen permanent ihre Läger von schlecht laufender Ware. Wenn sich etwas nicht verkauft, kommt der Rotstift drauf“, beschreibt die Branchenkennerin die heute übliche Praxis. Auf diese Art vermieden die Unternehmen die riesigen Rabattschlachten zum Saisonende. „Die erste Reduzierung ist die billigste.“
Und wo früher mit Preissenkungen von 20 Prozent begonnen worden sei, seien es heute schon im ersten Schritt oft 30 Prozent.
Auch für den Marketing-Experten Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU steht fest: „Der Rotstift wird heute immer öfter und immer schneller angesetzt.“ Dafür sei neben dem Siegeszug der Textildiscounter auch der boomende Online-Handel mit seiner hohen Preistransparenz verantwortlich.
Der Marketing-Experte ist überzeugt, dass die dauernden Rotstift-Aktionen dabei sind, das Einkaufsverhalten der Bundesbürger grundlegend zu verändern. „Die Konsumenten sind heute immer weniger bereit den Normalpreis zu zahlen und warten, bis es Rabatt gibt.“