Oliver Samwer macht keinen Hehl daraus, dass er mit Rocket Internet die Welt erobern will. 5,4 Milliarden Menschen gehörten zur Zielgruppe der Rocket-Start-ups. Rocket wolle mit seinem Geflecht junger Internet-Firmen die größte Internet-Plattform außerhalb der USA und Chinas sein, verkündete er am Mittwoch zum Startschuss für den Börsengang. Rocket will dabei rund 750 Millionen Dollar einsammeln und sie in seine Start-ups stecken.
Die drei Gründer-Brüder Oliver, Marc und Alexander Samwer haben bei Rocket Internet über die Jahre den Aufbau von Internet-Unternehmen regelrecht industrialisiert. Einheitliche Abläufe, eine gemeinsame technische Basis – während draußen kleine Firmen auf sich selbst gestellt sind und aus eigenen Fehlern lernen müssen, können sie bei Rocket auf eingespielte Strukturen aufbauen. Samwer setzt auf die Effizienz der Massenproduktion: „Im globalen Markt gewinnt die Plattform.“ Menschen bräuchten überall die gleichen Dinge: Mode, Lebensmittel, Kredite. Diese Grundbedürfnisse wolle Rocket erfüllen: Hinter der Firma stehe ein „Bier-und-Burger-Modell“.
Er glaube an die Möglichkeit, vielerorts klassische Einzelhandels-Strukturen zu überspringen, erläuterte Samwer seine Vision in der ersten Telefonkonferenz nach der Ankündigung. „In vielen Wachstumsmärkten gibt es schlicht nicht viele Läden.“ Online-Handel sei dort eine Notwendigkeit.
Kopiervorwürfe aus den USA
Und Rocket wolle eine universelle Plattform für solche Internet-Unternehmen aufbauen. Viele Firmen aus der Rocket-Schmiede sind in Schwellenländern in Asien, Afrika oder Lateinamerika aktiv. Aus der Start-up-Hochburg Kalifornien wird den Samwer-Brüdern dabei oft vorgeworfen, ihre Maschine kopiere am laufenden Band fremde Ideen. Schon lange vor der Gründung von Rocket Internet starteten die drei Brüder die deutsche Auktions-Website Alando. 1999 verkauften sie Alando an das US-Vorbild Ebay, ihr erster großer Deal. Auf die Kopier-Vorwürfe kontert Oliver Samwer: „Neue Unternehmen bauen immer auf Geschäftsmodelle auf, die es bereits irgendwo auf der Welt gab. Das war schon immer so.“
Auch der einst unter dem Rocket-Dach gestartete Modehändler Zalando soll demnächst an die Börse gehen. Damit sorgen die beiden Unternehmen in Deutschland für große Internet-Börsengänge, wie es sie seit 2001 nicht mehr gegeben habe, betont Klaus Fröhlich, der bei Morgan Stanley für das Kapitalmarktgeschäft in Deutschland und Österreich zuständig ist. Damals platzte zur Jahrhundertwende die Internet-Blase in den USA – und riss auch den überhitzten Neuen Markt in Deutschland in den Abgrund.
Jetzt sei die Lage ganz anders, sagte Aktienexperte Michael Muders. „Damals kamen Unternehmen an den Markt, die noch gar nicht bewiesen hatten, dass sie ein tragfähiges Geschäftsmodell hatten.“ Die Samwer-Brüder hätten dagegen viel Erfahrung und unternehmerische Erfolge vorzuweisen, sagt der Portfoliomanager der Fondsgesellschaft Union Investment. Oliver Samwer schränkt zugleich selbst ein, dass schwarze Zahlen für Rocket vorerst nicht auf der Tagesordnung stünden.
Entwicklungsland Deutschland
Die Börsenexperten hoffen, dass die großen Börsengänge zum Türöffner für andere deutsche Internet-Unternehmen werden. „Wir begrüßen es, dass wir Börsengänge wie Zalando und Rocket Internet in Deutschland sehen“, sagt Muders. Bisher seien die Möglichkeiten, hierzulande in solche Aktien zu investieren, nicht groß. „Wir in Deutschland sind bezogen auf Internet-Aktien Entwicklungsland.“ Zugleich zeigte sich Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger enttäuscht, dass Rocket zunächst nur im Segment Entry Standard mit seinen niedrigeren Transparenz-Anforderungen notiert sein wolle. „Es wäre erheblich besser für das Vertrauen der Investoren gewesen, wenn sich Rocket für den Prime Standard entschieden hätte“, kritisierte Kunert.
Was macht ein Inkubator?
Rocket Internet hat sich darauf spezialisiert, neue Unternehmen zu gründen und groß zu machen. In der Sprache der Start-up-Welt nennt man so ein Unterfangen einen „Inkubator“, also wörtlich „Brutkasten“. Neue Firmen werden bei Rocket praktisch am Fließband ausgebrütet.
Mit dem Wissen der Samwer-Brüder und ihrer Manager werden die Start-ups schnell hochgezogen, teilweise steht ein neues Unternehmen innerhalb weniger Monate. Der Unterschied zu klassischen Investoren ist, dass Rocket nicht nur als Geldgeber fungiert, sondern die Jungunternehmen nach seinem bewährten Schema aufbaut und aggressiv expandiert.
„Wir bringen Firmen auf mehr als 100 Märkte und zielen dann darauf, sie zur Nummer eins zu machen“, heißt es auf der Firmenwebseite. Die jungen Unternehmen und ihre Gründer sind dabei oft eng mit Rocket verbunden. Text: dpa