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WÜRZBURG
Risikomanagement: Damit nichts anbrennt
Simone Junk hat sich im Würzburger Forschungszentrum Risikomanagement vom Team um Markus Kötzle qualifizieren lassen.
Foto: Pat Christ | Simone Junk hat sich im Würzburger Forschungszentrum Risikomanagement vom Team um Markus Kötzle qualifizieren lassen.
Redaktion
 |  aktualisiert: 27.04.2023 07:30 Uhr

Das Thema hat zu Unrecht einen negativen Touch: „Risiko“. Welches Unternehmen gibt gern zu, dass es Risiken hat? Ein merkwürdiges Tabu, meint der Würzburger Wirtschaftsinformatiker Rainer Thome: „Ohne Risiko kann man keine Geschäfte machen. Das 2009 an seinem Würzburger Uni-Lehrstuhl etablierte „Forschungszentrum Risikomanagement“ (FZRM) sensibilisiert Unternehmen in der Region dafür, wie wichtig es ist, Frühwarnsysteme zu implementieren.

„Wir wollen das Risikomanagement in Forschung und Lehre vorantreiben“, unterstreicht FZRM-Geschäftsführer Markus Kötzle. Dies geschieht in unterschiedlichen Projekten. „BayRisk“ heißt eine im Juli 2017 in Kooperation mit der Universität Bayreuth gestartete Initiative, an der sich 17 kleine und mittelständische Unternehmen aus Bayern beteiligen – unter anderem die Würzburger Verkehrs- und Versorgungs-GmbH (WVV). In bisher sechs Webinaren wurden Mitarbeiter der teilnehmenden Firmen geschult, wie man Risikomanagement im Unternehmen umsetzt.

Beispiel Strom: Wann es spannend wird

Durch BayRisk kam für die WVV schon so mancher Impuls, das eigene Risikomanagement weiter zu verfeinern, meint Simone Junk, Leiterin der Abteilung „Marktmanagement-Steuerung“ bei der WVV. Zu ihren täglichen Aufgaben gehört es, die Marktrisiken im Geschäftssegment „Energie“ im Blick zu haben.

Das ist eine anspruchsvolle Sache. Schließlich verlassen sich tausende Privat- und Geschäftskunden darauf, dass sie Tag und Nacht ohne Unterbrechung mit Gas und Strom versorgt werden.

Wann es zum Desaster kommen kann

Damit dies zuverlässig geschieht, achtet die WVV darauf, nur mit erstklassigen Lieferanten zu kooperieren. Würde ein „Kontrahent“, wie die Vertragspartner im Energiesektor genannt werden, insolvent gehen, könnte das desaströs sein. „Wir gehen nur Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten ein, die ein 1A-Rating haben“, sagt Junk.

Das kann, als Wettbewerbsnachteil, das Risiko etwas höherer Preise bergen. Schützt jedoch vor der wesentlich gravierenderen Gefahr, mit einem nicht exzellenten Gas- oder Stromlieferanten baden zu gehen.

Wenn Herr Trump ins Spiel kommt

Der Blick durch die „Risikobrille“ richtet sich bei der WVV weit über Würzburg hinaus. Ereignisse wie die Wahl von US-Präsident Donald Trump können massiven Einfluss auf die Energiepreise haben. Der Emissionshandel als zentrales Instrument zur Reduktion von Kohlendioxidemissionen muss ebenfalls ständig beobachtet werden. Die Zertifikate sollen verknappt werden, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu senken. Höhere Preise für Emissionsrechte wiederum lassen die Strompreise an der Energiebörse steigen.

Interessanter Blick in den Strommarkt

„Sehen Sie, wie die Kurve ansteigt?“, fragt Thorsten Tippmann von der Handelsabteilung der WVV. Auf einem großen digitalen Infoboard, auf dem permanent irgendetwas blinkt, kontrolliert er konstant die verschiedenen Einflussfaktoren auf die Energiepreise. Sind die Preise niedrig, schlägt sein Team zu.

Wobei die WVV niemals den kompletten Strom an einem festgesetzten Stichtag einkauft. Das wäre zwar praktisch, aber viel zu riskant, da die Preise nach diesem Einkauf plötzlich in den Keller rutschen könnten. Die WVV ersteht Strom in Tranchen. „Wir sind seit Juli 2017 dabei, Strom für 2019 einzukaufen“. erläutert Junk.

Risikomanagement kostet Zeit

Der Strompreis für den Kunden ergibt sich aus dem Durchschnitt aller beschafften Teilmengen. Das vermindert das Preisrisiko erheblich, bedeutet jedoch auch, dass der Markt ununterbrochen beobachtet werden muss.

Risikomanagement kostet Zeit. Sich diese Zeit zu nehmen, wird für Industrie, Handel und Dienstleistung immer wichtiger. Nimmt doch das Tempo der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen rasant zu. Und damit die Volatilitäten. Rohstoffmärkte werden immer unzuverlässiger, jederzeit kann die nächste Rezession drohen. Hinzu kommen ökologische Gefahren.

WVV: Mal mehr, mal weniger Risiko

Bei der WVV werden in den unterschiedlichen Abteilungen viele Dutzend Risiken berücksichtigt. Der Energiesektor hat ganz andere Risiken als die Nahverkehrssparte. Der Betrieb der Bäder ist anders risikobehaftet als jener Bereich, in dem es um das Trinkwasser als wichtigstes Lebensmittel geht. Alle „Risikofäden“ sämtlicher Geschäftsfelder laufen bei WVV-Risikomanagerin Céline Hartung zusammen.

Vom engen Austausch zwischen Theorie und Praxis profitieren bei BayRisk wie auch bei den anderen Projekten des „Forschungszentrums Risikomanagement“ alle Beteiligten. Regionale Unternehmen erfahren aus erster Hand die neuesten Ergebnisse aus der Grundlagen- und anwendungsorientierten Forschung. Die Wissenschaftler des Zentrums bekommen mit, wo Unternehmen gerade der Schuh drückt.

Scharfer Blick dafür, wo Risiken lauern

Um regionale Firmen zu unterstützen, bietet das FZRM ein Qualifizierungsprogramm an. In drei Modulen kann man sich zum „Enterprise Risk Manager“ ausbilden lassen. Dabei lernen die Teilnehmer die wichtigsten Methoden und Instrumente des Risikomanagements kennen. Simone Junk hat den Kurs soeben mit einer „Transferarbeit“ abgeschlossen.

Bei jeder Schulung, jedem Webinar und jeder Tagung wird der Blick noch einmal mehr geschärft für die Risiken, die überall lauern. Marktmanagement-Expertin Simone Junk zum Beispiel setzte sich durch die Qualifizierung mit der „Monte-Carlo-Simulation“ auseinander. Durch diese Methode können die Wirkungen hunderter von Einzelrisiken in einem Unternehmensmodell abgebildet und in Bezug auf ihren Einfluss auf die Bilanz bewertet werden.

Was Krisenkommunikation bedeutet

Nur, wer Risiken von vornherein ins Kalkül zieht, hat die Chance, schwierige Phasen gut zu überstehen. Was laut Rainer Thome auch bedeutet, sich darauf vorzubereiten, mit eingetretenen Risiken transparent umzugehen. „Krisenkommunikation“ nennt sich das. Am Beispiel einer „Cyberkrise“ wurde beim 1. BayRisk-Kongress am 4. Oktober in Bayreuth erläutert, welche Kommunikationsstrategie in einem solchen Fall sinnvoll ist.

Details zu BayRisk

BayRisk ist eine Fördermaßnahme im Projekt „Wissenstransfer Hochschule und Beruf“ der Virtuellen Hochschule Bayern (vhb). Es wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Bayerischen Wissenschaftsministeriums gefördert. Ziel ist es, Wirtschaft und Wissenschaft beim Thema „Risikomanagement“ besser zu vernetzen und auf diese Weise Arbeitsplätze vor Ort zu sichern. Dabei kooperieren die Unis Würzburg und Bayreuth. In Bayreuth fand kürzlich ein erster BayRisk-Kongress statt. Eine zweite Tagung ist für Frühjahr 2019 zum Projektabschluss in Würzburg geplant. (pat)
Der Strommarkt ist voller Risiken. Durch dieses Infoboard kann Thorsten Tippmann den Markt kontinuierlich beobachten.
Foto: Pat Christ | Der Strommarkt ist voller Risiken. Durch dieses Infoboard kann Thorsten Tippmann den Markt kontinuierlich beobachten.
 
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