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BRÜSSEL
Ringen um Europas Energiezukunft
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 13.01.2017 03:47 Uhr

„Winterpaket“ nennt die Brüsseler EU-Kommission ihr vielleicht wichtigstes Reformvorhaben. Dabei hat der 500 Seiten umfassende Plan, der aus acht verschiedenen Richtlinien besteht und für den drei Kommissare verantwortlich sind, mit der kalten Jahreszeit ebenso viel zu tun wie mit der warmen. Doch das, was an diesem Mittwoch als Fahrplan für die künftige Energieversorgung der EU in Brüssel präsentiert wird, dürfte kaum mehr als eine erste Rohfassung sein – zu groß sind die Widerstände auch aus Deutschland, als dass das Paket ungeöffnet bleibt.

Das beginnt schon bei den Zielmarken für die Energieeinsparungen durch effizientere Nutzung von Strom. Bis 2030 sollen elektrische Geräte 30 Prozent weniger Energie verbrauchen als im Vergleichsjahr 1990. 27 Prozent hatten die Staats- und Regierungschefs bereits zugestanden, 40 Prozent fordert das EU-Parlament. „Es fehlen ambitionierte Vorschläge für eine Energiewende“, kommentierte die sozialdemokratische Europa-Abgeordnete und Energieexpertin ihrer Fraktion, Martina Werner, gestern. Wirklich heftig dürften die Auseinandersetzungen aber um den zukünftigen Anteil erneuerbarer Energien werden. Bisher gilt eine Regel aus dem Jahr 2009, die Strom aus Wind, Sonne oder Wasser einen Vorrang einräumt.

Wird mehr Energie produziert als verbraucht, müssen demnach zuerst die konventionellen Kraftwerke vom Netz genommen werden – das trifft in der Regel die Kohleöfen und alle anderen, die mit fossilen Brennstoffen arbeiten.

Brüssel will nun diese Garantie zumindest aufweichen. Von Vorrang ist keine Rede mehr, „das ist eine der großen Schwachstellen des Entwurfs“, sagte der SPD-Europa-Abgeordnete Jo Leinen. Stattdessen wird an anderer Stelle eine Kann-Bestimmung eingefügt: Demnach dürfen die Mitgliedstaaten den Vorteil zwar auch künftig noch einräumen, sie müssen aber nicht. Außerdem dürfen nur solche Anlagen bevorzugt werden, die weniger als 500 Kilowatt Leistung liefern. Darunter fallen beispielsweise viele Solardächer auf Privat- und Mietshäusern. Aber auch deren Vorrangstellung soll begrenzt werden: Sobald die Klein-Lieferanten 15 Prozent des Stroms eines Mitgliedstaates produzieren, entfallen die Vorteile. Verbraucher werden sich künftig wohl überlegen müssen, ob sie angesichts dieser Unsicherheit noch in Solarzellen investieren. Das Bundeswirtschaftsministerium hat bereits seinen Widerstand angekündigt.

Nicht weniger heftig dürfte um die Fördergelder für konventionelle Kraftwerke gestritten werden. Dabei geht es um den sogenannten Kapazitätsmechanismus, den es in vielen Mitgliedstaaten gibt. Dabei erhalten die Energiekonzerne vom Staat Zuschüsse, um alte und häufig auch unrentable Kraftwerke betriebsbereit zu halten, damit sie diese in Zeiten hohen Verbrauchs zuschalten können. In der neuen Energiemarkt-Richtlinie heißt es nun, dass solche Förderungen aufrechterhalten werden sollen – unabhängig von der Frage, mit welchen Brennstoffen die Werke arbeiten. Dass die Bestimmung eine Hintertüre zur Förderung von Umwelt-Drecksschleudern sein könnte, wies EU-Umweltkommissar Miguel Arias Canete zurück: „Das würde unseren Klimaschutzzielen widersprechen“, erklärte er. Konkret ist nun geplant, staatliche Unterstützung nur noch solchen Kraftwerken zuzubilligen, die höchstens 550 Gramm Kohlendioxid je produzierter Kilowattstunde ausstoßen. Ein Kohleofen liegt mit 1000 Gramm CO2 pro Kilowattstunde deutlich darüber.

Beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag wartet man dringend auf die neuen europäischen Spielregeln. DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks sagte gegenüber unserer Zeitung: „Wir brauchen einheitliche europäische Spielregeln für den Ausbau und die Förderung erneuerbarer Energien. Erneuerbare können und müssen mehr Marktverantwortung übernehmen, indem die Förderung schrittweise ausläuft.“ Ob das „Winterpaket“ der Kommission diese Erwartungen erfüllen kann, ist offen. In den nächsten Monaten müssen sich die Kommission, das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten irgendwie einigen.

 
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