Einen Neuwagen im Internet bestellen wie Bücher oder Schuhe? Für Burkhard Weller ausgeschlossen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand ein neues Auto kauft, ohne darin gesessen zu haben“, sagt der Geschäftsführer der Wellergruppe aus Berlin, einer der größten Autohändler der Bundesrepublik. Doch genau darauf deutet alles hin: Bei Gebrauchtwagenkäufern wächst die Beliebtheit von Online-Portalen. Auch Neuwagenkäufer informieren sich bereits im Netz, wie mehrere Studien zeigen – auch wenn sie in der Regel noch über Vermittler an klassische Autohändler weitergeleitet werden. „Wir gehen davon aus, dass über diesen Kanal derzeit 40 000 Neuwagen pro Jahr online verkauft werden – mit steigender Tendenz“, sagt Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Die Hersteller feilen an Konzepten, wie sie ihren Kunden ins Netz folgen können. Audi hat mit der Audi City einen digitalen Showroom entworfen, wo Kunden ihr Auto an Bildschirmen konfigurieren können. BMW verkauft sein Elektroauto i3 online – mit Hilfe von Vertragshändlern, die als Agenten auftreten. Daimler kündigte am Montag an, mit einem eigenen Online-Shop in den Internethandel mit Neuwagen einzusteigen. Am Dienstag startete das Pilotprojekt mit vier Modellen, die über die Niederlassung in Hamburg vertrieben werden. Ausgeliefert wird bundesweit.
Doch je mehr die Käufer ins Netz ziehen, desto größer wird der Druck auf die Autohändler: „Wenn der Online-Handel zunimmt, funktioniert das klassische Vertriebssystem betriebswirtschaftlich nicht mehr“, sagt Antje Woltermann, Geschäftsführerin beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Die Rollen verschieben sich, sagt Woltermann: Kunden informieren sich online, aber auch beim Händler. Fahren dort einen Wagen Probe, aber kaufen dann wieder bei einem anderen Autohaus. Zwar könnten Händler mithilfe von Online-Vermittlern unter Umständen mehr Autos verkaufen und sich dafür die Beratung sparen. Doch ein Problem ist laut Dudenhöffer, dass die Hersteller online häufig höhere Rabatte gewähren. Wird nur der Kaufvertrag im Autohaus unterzeichnet, sinkt die Kundenbindung und damit die Chance, dass der Käufer sich für Reparaturen und Inspektionen an den Händler wendet. Dabei werfe das Dienstleistungsgeschäft weitaus höhere Margen ab als der reine Autoverkauf, sagt der Experte.
Vor allem Vertragshändler könnten leiden, wenn die Hersteller sie in ihrer neuen Online-Welt vergessen. Denn sie sind gleichzeitig angehalten, den teuren Vorgaben der Konzerne für Autohäuser, Vorführwagen oder Lagerfahrzeuge zu folgen, sagt Woltermann: „Das funktioniert nur, wenn eine bestimmte Marge erreichbar ist.“ Bei Daimler versucht man den Übergang ins Netz sanft zu gestalten: Der Preis ist der gleiche wie im stationären Handel. Der ausliefernde Händler erhalte im Testlauf die volle Marge, sagte Andrea Finkbeiner-Müller, Leiterin der Händlernetzentwicklung bei Daimler. Über das künftige Modell sei noch nicht entschieden. Der Vorteil bei den Schwaben: Die Daimler-Händler sind Handelsvertreter, keine Vertragshändler, die selbst Autos einkaufen. Ob sie die Autos offline oder online vermitteln, mache für sie eigentlich keinen Unterschied, sagt Finkbeiner-Müller.
Peter Fuß von der Unternehmensberatung Ernst & Young glaubt, dass sich der Autohandel auf Veränderungen einstellen muss. „Dabei geht es nicht nur um neue Online-Vertriebsformen, die Händler werden zusätzlich zum Auto Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing anbieten“, sagt er. Die deutschen Hersteller müssten in ihre Vertriebssysteme in den nächsten Jahren mehrere 100 Millionen Euro investieren.