zurück
FRANKFURT
Rhön-Klinikum: Die Juristen haben das Wort
Von dpa-Korrespondent Christian Ebner
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:51 Uhr

Die ersten Gewinner im milliardenschweren Pokerspiel um den fränkischen Klinikbetreiber Rhön stehen fest: Es sind die Anwälte. Wurde ein Vertreter des nordhessischen Großaktionärs B. Braun Holding widerrechtlich auf der Frankfurter Hauptversammlung am 12. Juni kaltgestellt oder nicht – um diese juristisch durchaus komplexe Frage kreist zurzeit die Diskussion in einem der heißesten Wirtschaftskrimis der vergangenen Jahre. Im Mittelpunkt stehen vier Konzerne mit jeweiligem Milliardenumsatz, die um die Vorherrschaft auf dem privaten Krankenhausmarkt kämpfen.

Am Anfang stand der Traum des Rhön-Gründers Eugen Münch (68), der sein Lebenswerk abrunden will. Der kinderlose Münch träumt von einem umfassenden Krankenhausanbieter, dessen Kliniken für jeden deutschen Bürger innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein sollten.

Mit seinem eigenen, seit 1989 börsennotierten Unternehmen war Münch an den Grenzen des Wachstums angekommen: In einem zähen Ringen um jedes kleine, zur Privatisierung anstehende Kreiskrankenhaus machen sich seit Jahren mehrere Klinikketten gegenseitig das Leben schwer: Neben Rhön zählten dazu die Fresenius-Tochter Helios, die Hamburger Asklepios-Kette und der Münchner Betreiber Sana. Diese Unternehmen teilen sich im Wesentlichen den privaten Klinikmarkt in Deutschland auf, der etwa ein Drittel des Gesamtmarkts ausmacht.

Im Verbund mit dem auch auf anderen Medizin-Gebieten sehr erfolgreichen Fresenius-Konzern schien Münch 2012 seinem Ziel zum Greifen nah. Für rund 3,1 Milliarden Euro wollte der Dax-Konzern aus Bad Homburg 90 Prozent der Rhön-Aktien einsammeln und so aus dem eigenen Branchenführer Helios und der renditeschwächeren Rhön einen kaum noch angreifbaren Krankenhauskonzern schmieden.

Fresenius scheiterte an der hohen 90-Prozent-Hürde, die Münch einst selbst gesetzt hatte, um seinen Einfluss in der AG zu sichern. Der Konkurrent Asklepios sowie der Medizintechnikzulieferer B. Braun kauften Aktienpakete auf und konnten so gemeinsam eine eigene Sperrminorität von 10 Prozent aufbauen. Auch Fresenius und Sana halten seit dem Übernahme-Drama größere Aktienpakete von Rhön.

Für den Familienkonzern B. Braun stehen künftige Geschäfte auf dem Spiel. In vielen Sektoren stehen die mit Dauer-Kanülen („Braunüle“) groß gewordenen Nordhessen in direkter Konkurrenz zur Fresenius-Tochter Kabi und müssten im Fall einer Rhön-Übernahme um Aufträge fürchten. Wohl nicht zufällig drohte Münch nach dem Eklat von Frankfurt mit einer Auslistung der B. Braun-Produkte im Wert zwischen 10 und 30 Millionen Euro. Offiziell handelt es sich aber nur um eine routinemäßige Überprüfung der Lieferanten, erklärt Rhön.

Der Hamburger Klinikkonzern Asklepios des Alleininhabers Bernard Broermann will seine Marktposition behaupten. Vom Bundeskartellamt hat Broermann sogar die Genehmigung erhalten, mit 10 Prozent plus einer Aktie allein die Sperrminorität bei Rhön zu erlangen, dies aber noch nicht erreicht.

Möglicherweise war es diese Horrorvision, die Münch und weitere Aktionäre auf der Hauptversammlung vom 12. Juni zum schnellen Handeln veranlasst hat. Wegen eines angeblichen Formfehlers wurde der von B. Braun als „Legitimationsaktionär“ entsandte Frankfurter Anwalt Markus Linnerz von der entscheidenden Abstimmung ausgeschlossen. Juristische Rückendeckung holte sich Aufsichtsratschef Münch gleich bei drei Anwaltskanzleien, darunter ausgewiesene Aktienrechtsspezialisten wie die Münchner Societät Bub Gauweiler.

Der Plan funktionierte zunächst: Mit knapp 90 Prozent wurde die alte Sperrminorität aufgehoben, fortan sind nur noch 75 Prozent plus eine Aktie für wichtige Entscheidungen notwendig. Die Übernahmehürde für Fresenius ist wie gewünscht deutlich abgesenkt worden.

Doch natürlich wollen sich B. Braun und auch Asklepios nicht auf diese Weise übertölpeln lassen. Bis zum Fristablauf am 12. Juli werde man jeweils beim Landgericht Nürnberg-Fürth Anfechtungsklage einreichen, teilten beide Unternehmen mit. Einen vorschnellen Eintrag der Satzungsänderung im Handelsregister wollen die Braun-Leute notfalls mit einer einstweiligen Verfügung verhindern. Mindestens ein weiterer Aktionär hat bereits seine Anfechtungsklage eingereicht, wie das Gericht bestätigte. Falls die Klagen angenommen werden, droht ein jahrelanger Rechtsstreit durch alle Instanzen.

Kennzahlen der beteiligten Unternehmen

An dem Tauziehen ums Rhönklinikum sind einige große Unternehmen beteiligt. Die wichtigsten Kennzahlen aus den Jahresabschlüssen 2012: Fresenius Helios (Berlin): 3,2 Mrd. Euro Umsatz, 23 286 Betten, Asklepios (Hamburg): 3,0 Mrd. Euro Umsatz, 26 549 Betten Rhön-Klinikum (Bad Neustadt), 2,9 Mrd. Euro Umsatz, 17 089 Betten Sana Kliniken (Ismaning bei München), 1,8 Mrd. Euro Umsatz, 9678 Betten B. Braun AG (Melsungen): 5,1 Mrd. Euro Umsatz, Fresenius Kabi (Bad Homburg): 4,5 Mrd. Euro Umsatz, Fresenius SE (Bad Homburg): 19,3 Mrd. Euro Umsatz, 169 000 Mitarbeiter Text: dpa

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Aktienpakete
Bundeskartellamt
Eugen Münch
Fresenius
Fresenius AG
Großaktionäre
Hauptversammlungen
Holdings
Juristinnen und Juristen
Krankenhäuser und Kliniken
Poker
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen