
Die Angst vor dem Abschwung vermiest der deutschen Wirtschaft immer mehr die Stimmung. Angesichts der weltweit trüberen Aussichten für die Konjunktur und der weiter ungelösten Schuldenkrise sank der Ifo-Index im August bereits zum vierten Mal in Folge. „Die deutsche Konjunktur schwächt sich weiter ab“, teilte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Montag in München mit. Auch die Erwartungen für die wichtigen Exporte schrumpften.
Zunehmend im Sog der Krise
Seit Mai sinkt der Geschäftsklimaindex. Der Konjunkturmotor Europas gerät zunehmend in den Sog der Krise. Dabei warnen die Forscher vor Panik. Von einer bevorstehenden Rezession könne in Deutschland nach wie vor keine Rede sein. Das Niveau der Wirtschaftsstimmung sei nach wie vor relativ hoch. Allerdings sehen Volkswirte grundsätzlich schon nach drei Rückgängen des wichtigen Konjunkturbarometers in Folge eine Trendwende für die Wirtschaftsentwicklung. Im August sank das wichtigste deutsche Konjunkturbarometer von 103,2 auf 102,3 Punkte und näherte sich der kritischen Marke von 100 Punkten.
Zuletzt war der Index im August des Krisenjahrs 2008 unter diese Schwelle gerutscht und hatte im März 2009 mit 84,6 einen Tiefpunkt erreicht. Von einer solchen Entwicklung sei man aber weit entfernt. „Denn die Lageeinschätzung ist noch viel zu gut für eine Rezession“, so Ifo-Konjunkturchef Kai Carstensen. Es sei deutlich zu früh, von einer richtigen Rezession zu sprechen. „Da müsste noch einiges passieren.“
Die befragten Unternehmen hatten ihre aktuelle Lage im August nur wenig schlechter beurteilt als im Juli. Allerdings schraubten sie ihre Erwartungen für die kommenden Monate deutlich herunter. „Wir gehen in konjunkturell schwieriges Terrain“, sagte der Wirtschaftsforscher.
Erwartungen im Export negativ
Auch die Erwartungen der zuletzt lange erfolgsverwöhnten Industrie schwächten sich deutlich ab. „Erstmals seit fast drei Jahren sind auch die Erwartungen an das Exportgeschäft überwiegend leicht negativ“, teilte Sinn mit. Gerade die Ausfuhren sind traditionell die wichtigste Stütze der deutschen Industrie und damit der gesamten Wirtschaft.
Auch der Handel blickt inzwischen deutlich pessimistischer in die Zukunft. Sowohl im Einzel- als auch im Großhandel kühlte sich im August das Geschäftsklima stark ab. „Die Einschätzung der Lage hat deutlich nachgegeben und die Erwartungen sind den sechsten Monat in Folge gesunken“, teilte Sinn mit. Die Postbank sieht darin den Beleg, „dass sich die deutsche Wirtschaft nicht so einfach von dem schwachen europäischen Umfeld abkoppeln kann“. Sie laufe Gefahr, von der Staatsschuldenkrise und deren Folgen eingeholt zu werden. „Eine Trendwende nach oben ist erst denkbar, wenn die Unsicherheit zurückgeht, die von der Staatsschuldenkrise ausgeht“, kommentiert denn auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer.
Der Ifo-Index
Er gilt als wichtigster Frühindikator für die Entwicklung der deutschen Wirtschaft: Lange bevor sich das Auf und Ab der Wirtschaft in amtlichen Zahlen niederschlägt, bildet der Ifo-Index recht zuverlässig die Lage ab. Dafür befragen die Wirtschaftsforscher des Münchner Instituts einmal pro Monat quer durch Deutschland rund 7000 Unternehmen. Per Mail, Post oder Fax kommt der Bogen und enthält rund ein Dutzend Fragen zur Einschätzung der aktuellen Lage und zu Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Die wichtigste Antwort wird an erster Stelle abgefragt: „Wir beurteilen unsere Geschäftslage als . . .“ Darauf können die Firmen mit „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“ antworten. FOTO: dpa