Vorübergehend herrscht Entspannung bei den Benzinpreisen: Sie sind am Freitag bis zum frühen Nachmittag unter ihren Höchstständen geblieben. Fast eine Woche standen die Preise wie festgenagelt auf ihrem Rekordstand. 1,64 Euro für einen Liter E10, 1,67 Euro für Superbenzin E5 mit fünf Prozent Ethanol. Wirtschaft und Verbraucher ächzen unter der Belastung, es profitieren der Staat, die Ölförderländer und die Energiekonzerne.
Den größten Anteil nimmt sich der Staat. Bei einem Preis von 1,62 Euro je Liter entfallen 92 Cent oder 57 Prozent auf Steuern und Abgaben. Der größte Teil davon ist in absoluten Beträgen festgelegt, wie die Mineralölsteuer und die Öko-Steuer. Die Mehrwertsteuer von 19 Prozent wirft um so mehr ab, je teurer das Benzin insgesamt ist. So profitiert der Staat von hohen Benzinpreisen. Von den restlichen 70 Cent machen die Beschaffungskosten der Tankstelle etwas mehr als 62 Cent aus. Das ist der Preis, den die Tankstelle bei der Raffinerie oder beim Händler für einen Liter Superbenzin bezahlen muss. Dieser Anteil schwankt mit dem Ölpreis und dem Dollarkurs. Maßgeblich für die Kalkulation sind die Preise auf dem europäischen Ölmarkt in Rotterdam. Sie werden in Dollar je Tonne ermittelt, können aber in Euro-Cent je Liter umgerechnet werden. Dieser Wert liegt mit 62 Cent auf einem historischen Höchststand. Übrig bleiben knapp acht Cent für alle übrigen Kosten wie Logistik, Pächter, Werbung oder Verwaltung. Der Gewinn an den Tankstellen wird gern überschätzt; er beträgt im Durchschnitt eines Jahres ungefähr einen Cent je Liter vor Steuern. Der Gesamtgewinn aus dem Benzinverkauf an den 14 700 deutschen Tankstellen wird auf rund 500 Millionen Euro geschätzt, das sind 35 000 Euro je Tankstelle. Die Tankstellen erwirtschaften den Großteil ihres Gewinns mit dem Shop-Verkauf und Dienstleistungen wie Autowäsche.
Benzin, Diesel und Heizöl werden auf jeweils eigenen Märkten mit Angebot und Nachfrage gehandelt. Die Ölprodukte werden aber aus Rohöl gemacht und deshalb tendenziell teurer, wenn der Rohölpreis steigt. Rohöl der Nordsee-Sorte Brent kostet mittlerweile mehr als 124 Dollar je Barrel (159 Liter) und hat damit den höchsten Stand seit dem vergangenen April erreicht. Von den Produkten sind die sogenannten Mitteldestillate wie Diesel, Heizöl und Kerosin besonders gefragt. Das hängt nicht nur mit der zurückliegenden Kältewelle zusammen, sondern ist ein langfristiger Prozess. Immer mehr Autos fahren mit Diesel, das Transportgewerbe blüht und das Ausland ist ebenfalls mit Nachfrage am Markt. Benzin wird dagegen immer weniger gebraucht; hier gibt es Überkapazitäten bei den Raffinerien.
Die meisten Erklärungen für den hohen Rohölpreis führen die Nachfrage der Schwellenländer, die Unsicherheiten rund um den Iran, das Wachstum der Weltwirtschaft und allgemeine Unsicherheiten im Markt an, wie Produktionsstörungen in Nigeria. Nach Angaben des Hamburger Experten Steffen Bukold hat sich aber auch die Spekulation auf den Finanzmärkten messbar verstärkt. Die Notenbanken in Europa, den USA und Japan fluten seit Monaten die Finanzmärkte mit billiger Liquidität, die nach Anlage drängt. Deshalb steigen die Aktienkurse und auch Rohstoffe sind nach einem vorübergehenden Rückgang wieder stärker gefragt. Der weltweit wichtigste Rohstoff ist Rohöl. Der genaue Einfluss der Finanzmärkte auf den Preis lässt sich nicht beziffern; sie verstärken jedoch den Aufwärtstrend nach oben.
Rohöl wird weltweit in Dollar gehandelt und bezahlt. Das verteuert für den Euroraum nochmals die Einkaufskosten. Gegenwärtig bekommt ein Ölhändler für einen Euro 1,34 Dollar. Im vergangenen Frühjahr waren es noch mehr als 1,45 Dollar, beim absoluten Rohöl-Preishoch von 2008 sogar 1,57 Dollar. Nach Angaben des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) ist das Öl bewertet in Euro so teuer wie noch nie. Ein Barrel kostet mehr als 93 Euro.
Auf illegale Absprachen gibt es laut Bundeskartellamt keine Hinweise. Das Amt kritisiert jedoch seit längerem, dass die führenden fünf Konzerne Aral/BP, Shell, Exxonmobil (Esso), Total und ConocoPhillips (Jet) als marktbeherrschendes Oligopol auch ohne Absprache überhöhte Preise durchsetzen könnten. Diese Auffassung ist auch in der Wissenschaft umstritten. Kartellamtspräsident Andreas Mundt beklagt, dass die Konzerne ihre Kostensteigerungen beim Einkauf direkt an die Endverbraucher weitergeben könnten, was in anderen Branchen nicht ohne weiteres möglich sei. Die Mineralölwirtschaft verweist dagegen auf die niedrigen Gewinnmargen an den Tankstellen und die täglichen Preisveränderungen als Anzeichen für intensiven Wettbewerb. Zudem gehörten die Benzinpreise in Deutschland im europäischen Vergleich ohne Steuern zu den niedrigsten.
Die Besitzer von Rohöl, also die Förderländer und staatlichen Ölgesellschaften. Das Öl für Deutschland stammt zu mehr als einem Drittel aus Russland. Weitere wichtige Lieferanten sind Großbritannien, Norwegen und Kasachstan. Auch die multinationalen Ölkonzerne wie Shell, BP und ExxonMobil profitieren von hohen Ölpreisen, weil sie bei der Förderung aus eigenen und Lizenzfeldern mehr erlösen. Die Konzerne investieren deshalb zunehmend in die Entwicklung von Ölfeldern und die Förderung, weil sie dort die höchsten Gewinne erwirtschaften. Die Verarbeitung des Rohöls in Raffinerien und der Vertrieb über Tankstellen und Händler wirft dagegen weniger Gewinne ab.