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KITZINGEN/DETTELBACH
Razzia in der Firma der Ex-Degenfechter
Der Eingang der Beraterfirma war von den Beamten versiegelt worden.
Foto: Manfred Schweidler | Der Eingang der Beraterfirma war von den Beamten versiegelt worden.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 13.01.2016 11:08 Uhr

Einmal mehr beschäftigen bundesweit agierende, aber in Unterfranken beheimatete Finanzberater die Justiz. Nach Informationen dieser Zeitung ist die in Dettelbach (Lkr. Kitzingen) beheimatete Anlageberatungs-Firma Deltoton GmbH Gegenstand von Ermittlungen der Würzburger Staatsanwaltschaft. Nach Informationen dieser Zeitung gab es am Donnerstag mehrere Durchsuchungen in Kitzingen und am Hauptsitz in Dettelbach.

Der Firmensitz – bezeichnenderweise im Beton-Ei des Mainfrankenparks, der schon einmal im Zentrum eines Wirtschaftskrimis stand – wirkte am Freitag verlassen. Niemand ging bei mehreren Versuchen der Redaktion bei Deltoton ans Telefon. Der Parkplatz davor war leer, der Eingang von der Kripo versiegelt. „Da ist alles zu“, sagte auf Nachfrage ein Beamter beim Verlassen des auffälligen Gebäudes.

Warnungen gab es schon länger

Eine Polizeisprecherin bestätigte einem Radiosender nur allgemein eine Durchsuchung. Auf Nachfrage sagte Boris Raufeisen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Würzburg: In diesem frühen Stadium der Ermittlungen werde sich die Behörde nicht zu dem Fall äußern. Dass in dem Gebäude durchsucht wurde, bewies aber vor Ort das amtliche Siegel mit dem Datum vom Donnerstag.

Völlig überraschend kommen die Ermittlungen nicht. Seit Jahren warnen Anwälte und Verbraucherschützer unter Nennung von Deltoton und der Vorgängerfirma Frankonia vor Geschäften mit sogenannten atypischen stillen Beteiligungen. Diese nach zahlreichen Strafprozessen als anrüchig geltenden Beteiligungen wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten oft zur Altersvorsorge verkauft, mit der Möglichkeit, Steuern zu sparen und hohe Renditen zu erzielen.

Wie sich aber ein ums andere Mal gezeigt hat, fallen Versprechungen und Realität oft auseinander – und viele der Firmen (wie die berüchtigte einst in Würzburg beheimatete Euro-Gruppe) wurden am Ende ein Fall für die Anklagebank. Den Anlegern nutzte das häufig nichts mehr, ihr Geld war weg. Aber gerade die Würzburger Ermittler bei Kripo und Staatsanwaltschaft haben viel Erfahrung und einige Erfolge bei Ermittlungen im nicht staatlich kontrollierten grauen Kapitalmarkt.

Dies ist bitter nötig. Denn der Schaden durch den Betrug mit Kapitalanlagen stieg 2013 um 27 Prozent an, sagt das Bundeskriminalamt (BKA) in seinem Lagebericht zur Wirtschaftskriminalität. Eine Mitschuld daran haben demnach die niedrigen Zinsen: Sie treiben Menschen in riskantere Geldanlagen, Anleger lassen sich immer häufiger auf ein gefährliches Vabanque-Spiel ein.

„Deltoton hat mit Experten Strategien entwickelt, die ihren Anlegern die attraktiven Wertschöpfungsbereiche Private Equity und Immobilien Investments zugänglich machen“, verspricht die Firma auf ihrer Internetseite. Für die Deltoton, die zuvor unter dem Namen Frankonia bekannt war, standen in den Anfangsjahren zwei Gesichter, die für Sportsgeist und Fairness standen: die Degenfechter Elmar Borrmann und Thomas Gerull aus der Goldschmiede des Tauberbischofsheimer Fechtpapstes Emil Beck.

Nach der Sportlerkarriere mit Meisterschaften sowie Gold- und Silbermedaillen bei Olympischen Spielen stiegen sie in die Beraterbranche ein. Ab Mitte der 90er Jahre warben sie mit Investmentfonds unter dem Dach der Deutschen Frankonia Beteiligungs AG um Anlegergeld.

Beide stehen nicht mehr in vorderster Front, 2004 trennten sich ihre Wege. 2009 soll Borrmann seinen Geschäftsbereich gänzlich verkauft haben, während Gerull die Frankonia-Fonds behielt, die später in Deltoton umbenannt wurden.

Schlechte Nachrichten statt Geld

Den kürzlich im Bundesanzeiger veröffentlichten jüngsten Geschäftsbericht der durchsuchten Deltoton hat Michael Gerull unterschrieben. Aus einer glaubwürdigen Quelle im Umfeld von Elmar Borrmann wurde am Freitag übermittelt, ihm gehe es gut und er wisse nichts von Ermittlungen in diesem Zusammenhang gegen seine Person. Auch für Gerull gilt die Unschuldsvermutung. Persönlich äußerten sich beide jetzt genauso wenig wie 2011. Damals titelte das Handelsblatt: „Olympia-Stars bringen Tausende Anleger um ihr Erspartes“. Schon da sprach das Blatt von 150 Millionen Euro Verlusten und 20 000 enttäuschten Anlegern, die Verträge gekündigt hätten – zum Teil mit erheblichen Verlusten.

Anleger stritten sich vor Gericht von Düsseldorf bis Stuttgart mit dem Unternehmen. Auf der Internetseite verkündete Deltoton, dass die Investoren nun bald Geld sehen würden: „Seit 2002 ist die Emissionsphase beendet und die Deltoton GmbH nimmt keine Anleger mehr auf. Die Gesellschaft befindet sich jetzt plangemäß in der Auszahlungsphase für ihre Anleger.“

Doch statt Geld zu bekommen, sollten Investoren welches nachschießen: „Anstelle der Mitteilung über ein auszuzahlendes Guthaben werden zahlreiche Anleger per Post zur sofortigen Zahlung erheblicher Beträge aufgefordert“, weiß Verbraucherschutz-Anwalt Heinz Steinhübel. „Nach erfolgter Zahlung bestünden – so die Deltoton – dann keine wechselseitigen Ansprüche mehr.“

Firmensitz: die verlassene Deltoton-Zentrale im Mainfrankenpark
| Firmensitz: die verlassene Deltoton-Zentrale im Mainfrankenpark
 
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