
Ein Wirtschaftsprozess mit Symbolcharakter: Zum ersten Mal muss sich ein kompletter Bankvorstand wegen eines Geschäfts in der Finanzkrise vor einem Hamburger Gericht verantworten. Den sechs Ex-Managern der HSH-Nordbank wird Untreue vorgeworfen – im Fall „Omega 55“.
Mit der Verlesung der Anklageschrift hat am Mittwoch in Hamburg der Prozess begonnen. Die Staatsanwaltschaft trug detailliert die Vorwürfe gegen die sechs früheren Bankmanager vor. Sie sollen der Bank bei einem Finanzgeschäft 2007 einen Schaden von 158 Millionen Euro zugefügt haben. Dabei hätten sie ihre Pflichten verletzt und damit Untreue in einem besonders schweren Fall begangen. Zwei der Angeklagten wird zudem Bilanzfälschung vorgeworfen.
Unter großem Medienandrang betraten die Ex-Vorstände, unter ihnen der 2007 amtierende Vorstandschef Hans Berger und der damalige Ex-Finanzchef und spätere Vorstandschef Dirk Jens Nonnenmacher, begleitet von ihren Anwälten das Hamburger Strafjustizgebäude.
Hoch erhobenen Hauptes steuerte Dirk Jens Nonnenmacher seinen Platz auf der Anklagebank an. Die Begrüßung mit den ehemaligen Vorstandskollegen fiel knapp aus. Ein Nicken, ein kurzer Händedruck, mehr war nicht drin. Diese Bühne gefiel Nonnenmacher nicht.
Der groß gewachsene Ex-Chef der HSH Nordbank stand wie kein anderer der Angeklagten im Fokus von Fotografen und Kamerateams. Er ist das einzige bekannte Gesicht in dem Verfahren. Seine Prominenz verdankt Nonnenmacher seiner Amtszeit an der Spitze der Bank von November 2008 bis März 2011. Wie kaum ein zweiter Bankvorstand in Deutschland polarisierte er die öffentliche Meinung. Nonnenmachers ehemaliger Aufsichtsratschef Hilmar Kopper lobt ihn noch heute als einen sehr guten Banker und forderte gar augenzwinkernd ein Denkmal, weil er die Bank gerettet habe, weitgehend ohne den Einsatz von echten Steuermitteln. Für viele andere ist Nonnenmacher ein rotes Tuch. Der Mathematik-Professor handelte für sich hohe Einkünfte und Abfindungen aus, auf die er auch unter öffentlichem Druck nicht verzichtete.
In seiner Amtszeit verstrickte sich die Bank in eine Vielzahl von Affären, meist unter der Beteiligung der mittlerweile insolventen Sicherheitsfirma Prevent. Das reichte von einem dubiosen Fall untergeschobener Kinder-Pornografie in New York bis zur unrechtmäßigen Entlassung eines Vorstands. In diesen beiden Fällen ermitteln seit langem Staatsanwälte in Hamburg und Kiel gegen Nonnenmacher; er selbst weist alle Vorwürfe zurück.
Schon in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen zur HSH Nordbank in Hamburg und Kiel machte Nonnenmacher auf seine Art deutlich, wie er die umstrittenen Finanzgeschäfte wie „Omega 55“ sieht: „Es ist nun einmal das Geschäft von Banken, Risiken aufs Buch zu nehmen und andere Risiken weiterzugeben. Und solche Transaktionen sind eine Möglichkeit des Risikomanagements. Man möchte ein bestimmtes Risiko nicht mehr in den Büchern haben und sucht sich jemanden, der es übernimmt.“
Das Gericht wird monatelang verhandeln, ehe ein Urteil fällt. Mehr als 40 Prozesstermine bis in den Januar sind terminiert. Den Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.
HSH Nordbank AG
Das Finanzinstitut entstand im Juni 2003 aus der Fusion der Hamburgischen Landesbank und der Landesbank Schleswig-Holstein. Hamburg und Kiel sind als Hauptsitze festgelegt; zudem unterhält die HSH Niederlassungen und Repräsentanzen im Ausland.
Als Spezialfinanzierer hat es seinen Schwerpunkt auf dem Transportwesen (vor allem Schiffe), erneuerbaren Energien und Immobilien. Die HSH Nordbank will sich künftig vor allem als regionale Mittelstandsbank für Firmenkunden im Norden aufstellen. Der Geschäftsbericht 2012 weist einen Konzernfehlbetrag von 124 Millionen Euro aus. Auch im laufenden Jahr erwartet die Bank wegen der Schifffahrtskrise einen Verlust. Die Zahl der Mitarbeiter lag Ende März bei knapp 3000. Sie wird wegen harter Auflagen der EU weiter zurückgehen.
In der Finanzkrise musste die HSH Nordbank mit staatlicher Unterstützung gerettet werden. Die Garantie der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein wurde kürzlich auf zehn Milliarden Euro erhöht. TEXT: dpa