Es geht um die Altersvorsorge von Millionen Menschen: Viele Lebensversicherer haben wegen der niedrigen Zinsen Probleme, ihre Zusagen einzuhalten. Ein Reformgesetz soll die Branche stabilisieren – mit weitreichenden Folgen.
Die Bundesbank kam 2013 in einem Stressszenario zu dem Befund, das bei lang anhaltenden Niedrigzinsen ein großes Gefährdungspotenzial bestehe und bis zum Jahr 2023 mehr als ein Drittel der Versicherer nicht mehr die Kapitalanforderungen erfüllen dürfte. Betroffen wären damit 32 Unternehmen in Deutschland mit einem Beitragsanteil von 43 Prozent – bezogen auf das Jahr 2012. Durch die Reform dürfte die Zahl der Bundesbank zufolge nun sinken. Allerdings wird die Lebensversicherung als Altersvorsorge-Produkt weniger attraktiv – was wiederum zur Folge hat, dass die Branche weniger Beitragseinnahmen durch neue Verträge bekommt.
Versicherer haben Kundengelder insbesondere in Staatsanleihen angelegt. 2013 sank die Rendite öffentlicher Anleihen des Bundes auf im Schnitt 1,6 Prozent. Gleichzeitig bleiben aber die Verpflichtungen der Versicherer zur Bedienung der Alt-Verträge hoch, denn der Garantiezins aller Unternehmen beträgt im Schnitt 3,2 Prozent. Aktuell liegen die durchschnittlichen Kapitalerträge noch über diesem Niveau, aber die Ertragskraft sinkt bei anhaltend niedrigen Zinsen. Daher hatte auch der Internationale Währungsfonds (IWF) jüngst neue Regeln angemahnt – vor allem bei den sogenannten Bewertungsreserven.
Diese stillen Reserven speisen sich aus Kursgewinnen etwa von Wertpapieren, aber auch von Immobilien. Sie sind in der Bilanz ausgewiesen, stehen also „in den Büchern“. Buchgewinne kommen zustande, wenn der Marktwert der gehaltenen Papiere steigt. Aktuell geht es um festverzinsliche Anleihen. Deren Buchwerte sind derzeit besonders hoch, weil hoch verzinste Papiere, die Unternehmen vor Jahren erworben haben, wegen der Niedrigzinsen inzwischen im Kurs gestiegen sind.
Kunden, deren Vertrag ausläuft oder die ihre Police vorzeitig kündigen, erhalten bisher die Hälfte der Bewertungsreserven, die auf ihre Lebensversicherung entfallen. Die Versicherer müssen nun immer mehr der hochprozentigen Papiere verkaufen, um diese Kunden an den üppigen Reserven zu beteiligen. Diese können sich zwar über hohe Renditen freuen - allerdings zum Schaden der anderen Versicherten.
Die Reform soll für eine „gerechtere Beteiligung der Gesamtheit der Versicherten“ an den Bewertungsreserven festverzinslicher Wertpapiere sorgen. Hier kommt der „Sicherungsbedarf“ ins Spiel. Den müssen Versicherer vorhalten, um alle Garantien erfüllen zu können. Künftig soll die Beteiligung an den entsprechenden Bewertungsreserven auf denjenigen Teil begrenzt werden, der den „Sicherungsbedarf“ übersteigt. Kunden, deren Verträge demnächst auslaufen oder die ihre Policen vorzeitig kündigen, müssen sich auf Einbußen einstellen.
Der Garantiezins – exakt eigentlich Höchstrechnungszins – ist im Sinkflug. Nun soll er zum 1. Januar 2015 erneut gedrückt werden – von 1,75 auf 1,25 Prozent für neue Verträge. Das ist die Obergrenze dessen, was Unternehmen den Kunden maximal zusagen können. Das würde der Branche etwas Luft verschaffen, die Lebensversicherung als Anlage aber weniger attraktiv machen. Für Bestandskunden ändert sich nichts.
Versicherer müssen ihre Kosten transparenter machen. Die zunächst geplante Regelung für eine zusätzliche Mitteilung der Provisionshöhe des Vermittlers wurde allerdings wieder gestrichen. Statt konkreter Provisionen sollen wie bei Riester-Produkten künftig die Gesamtvertriebskosten offen gelegt werden. Die Aufsicht kann ein Verbot von Dividendenzahlungen an Aktionäre verhängen.