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WÜRZBURG
Plagiate: Wie unterfränkische Firmen mit Fälschungen umgehen
Zerstörungsaktion 10 Wäl       -  Ende Juni wird SKF wieder öffentlich gefälschte Wälzlager verstören. Dadurch will das Unternehmen auf Produktpiraterie aufmerksam machen. Archivbild (2007): Ruppert
Foto: Ruppert (MainPost) | Ende Juni wird SKF wieder öffentlich gefälschte Wälzlager verstören. Dadurch will das Unternehmen auf Produktpiraterie aufmerksam machen. Archivbild (2007): Ruppert
Jonas Keck
 |  aktualisiert: 15.07.2024 08:56 Uhr

Einen Schaden von 60 Milliarden Euro erleidet die europäische Wirtschaft durch gefälschte Produkte jährlich. Dies geht aus einer Studie des Amtes für geistiges Eigentum der Europäischen Union (EUIPO) hervor. Auch Unternehmen in Unterfranken sind davon betroffen. Denn nicht nur Handtaschen und Armbanduhren werden im großen Stil gefälscht. Auch nachgemachte Industriegüter sind zu einem lohnenswerten Geschäft für Kriminelle geworden.

SKF kennen das Problem. Der Hersteller von Kugel- und Wälzlagern beschäftigt in Schweinfurt rund 4100 Mitarbeiter. In der Zentrale im schwedischen Göteborg zerstört der Konzern an diesem Mittwoch dreißig Tonnen gefälschte Lager öffentlich. Wie hoch der finanzielle Schaden ist, kann Dietmar Seidel nicht beziffern. „Es klingt wie ein Klischee, aber der Großteil der gefälschten Lager kommen aus China“, sagt der Pressesprecher des Unternehmens.

Der Großteil der gefälschten Produkte, die beim Hauptzollamt in Schweinfurt aufgegriffen wurden, kommt aus China.
| Der Großteil der gefälschten Produkte, die beim Hauptzollamt in Schweinfurt aufgegriffen wurden, kommt aus China.

Um gefälschte Produkte zu erkennen, sind auf den originalen Lagern und Verpackungen geheime Markierungen angebracht, wodurch der Hersteller die Echtheit erkennen kann. Mithilfe einer App können Kunden zusätzlich überprüfen, ob es sich bei ihrem Lager um ein Original handelt. Ein Team aus Markenschutzkoordinatoren ist bei SKF damit beschäftigt, gefälschte Kugellager zu erkennen und vom Markt zu nehmen.

Mit Apps gegen Produktpiraterie

Ähnlich geht auch Schaeffler mit dem Thema um. Die Markenschützer der Firma mit einem Werk in Schweinfurt stehen im Austausch mit einem globalen Netzwerk an Spezialisten der Automobilbranche. Im vergangenen Jahr konnte der Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie gefälschte Teile sicherstellen, die für die Anwendung in Windkraftanlagen, Kränen, Pumpen und Getrieben verbaut wurden.

Das Unternehmen beschlagnahme regelmäßig angebliche Schaeffler-Produkte mit einem Händlereinkaufswert im mittleren Millionen-Bereich, teilt die Firma mit. „Daher gehen wir davon aus, dass unter Berücksichtigung von Dunkelziffern der Schaden für das Unternehmen konservativ geschätzt etwa ein Prozent unseres Gesamtumsatzes beträgt“, sagt die Pressesprecherin Kerstin Schöbel. Das entspreche rund 140 Millionen Euro.

Auch bei Schaeffler kommt eine App zum Einsatz, mit der Kunden die Echtheit ihres Produkts überprüfen können. Aber auch Fachvorträge und Veröffentlichungen im Intranet sensibilisieren der Pressesprecherin zufolge die Mitarbeiter für die Problematik. Vorbeugend spiele auch die IT-Sicherheit eine wichtige Rolle, um Produktgeheimnisse, wie beispielsweise Baupläne, vor Fälschern zu schützen.

Fälschungen sind ein sensibles Thema

Bosch Rexroth mit Sitz in Lohr am Main (Lkr. Main-Spessart) wird laut eigenen Angaben ebenfalls immer wieder mit Fällen von Produktpiraterie konfrontiert. „Der Großteil der gefälschten Produkte kommt aus dem asiatischen Raum“, sagt Pressesprecherin Judith Muehlich. Zur Anzahl der Fälle, zu den betroffenen Produktsegmenten oder gar dem finanziellen Schaden macht das Unternehmen auf Anfrage der Redaktion keine Angaben. Die s.Oliver-Modegruppe mit Sitz in Rottendorf (Lkr. Würzburg) will sich grundsätzlich nicht zu Plagiaten äußern.

„Plagiate sind rufschädigend für Unternehmen“, sagt Oliver Freitag, Bereichsleiter für Innovationen bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Weil Kunden verunsichert werden könnten, sprächen viele Firmen nicht offen über Produktfälschungen. Freitag geht davon aus, dass die Dunkelziffer bei Wirtschaftsspionage und Plagiaten sehr hoch ist. „Denn nicht alle nachgeahmten Produkte werden entdeckt und nicht alle werden vom betroffenen Unternehmen gemeldet“, so Freitag.

Hauptzollamt in Unterfranken durchsucht Postsendungen

Im Jahr 2017 beschlagnahmte das Hauptzollamt Schweinfurt insgesamt 365 gefälschte Markenwaren. „Im Bezirk der Behörde gibt es allerdings keinen Flughafen und keinen Seehafen“, sagt die Pressesprecherin Tanja Manger. Die beschlagnahmten Markenwaren seien daher nahezu vollständig in Paketen und Postsendungen entdeckt worden. Die Zollbeamten in Schweinfurt zogen im vergangenen Jahr Fälschungen mit einem Gesamtwarenwert von 215 000 Euro aus dem Verkehr. Besonders beliebt waren Kleidungsstücke und Schuhe, sowie Modeaccessoires. Rund 80 Prozent dieser Plagiate hatten ihren Ursprung in Asien. Gefälschte Industriegüter beschlagnahmte das Amt jedoch keine.

Angesichts der guten Gewinnaussichten würden die Fälscher zunehmend professioneller, hieß es in dem Bericht des Amts der Europäischen Union für geistiges Eigentum. Auch die Bandbreite gefälschter Produkte werde größer. Für die kommenden Jahre rechnet das Amt mit einem Anstieg auf bis zu 85 Milliarden Euro Einnahmeverluste für europäische Unternehmen durch Fälschungen.

 
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