Begraben die deutschen Konzerne ihre Hoffnungen auf sauberen Strom aus der Wüste endgültig? In diesen Tagen entscheidet sich bei einer Konferenz in Rom das Schicksal der Industrieinitiative Desertec, die einst mit riesigen Hoffnungen und unter großem Medienrummel gestartet war. Weil immer mehr Unterstützer absprangen, gilt die Zukunft des Projekts schon länger als fraglich.
Die Idee, Strom aus Sonne und Wind in den Wüsten Nordafrikas und des Mittleren Ostens (Mena-Region) zu gewinnen, elektrisierte einst die Öffentlichkeit. Als sich die Desertec-Stiftung – ein Netzwerk aus Politikern, Wissenschaftlern und Ökonomen – vor fünf Jahren mit rund einem Dutzend großer Unternehmen wie Siemens, E.on, der Deutschen Bank und RWE zusammenschloss, schien die Vision greifbar. Am meisten ließ aufhorchen, dass der europäische Energieverbrauch zu 15 Prozent aus der Wüstensonne gedeckt werden könnte. Gerade in einer Zeit, als die Energiewende noch in den Kinderschuhen steckte, klang das verlockend.
Schon früh schlug dem Mammutprojekt aber auch Skepsis entgegen. So schürte die riesige Investitionssumme von 400 Milliarden Euro, die Initiatoren ins Spiel brachten, auch Zweifel an der Machbarkeit. Andererseits dürfte auch diese Summe dafür gesorgt haben, dass sich so viele große Firmen – zeitweise hatte die Industrieinitiative Dii mehr als 50 Gesellschafter und Partner – von Desertec angezogen fühlten. Sie witterten in dem Großprojekt enorme Geschäftschancen und dürften enttäuscht gewesen sein, dass lange keine Bagger in der Wüste rollten. Die Initiatoren sehen darin ein Missverständnis: Man sehe sich vor allem als Wegbereiter für Projekte in der Region und sei nicht zuständig für die Auftragsvergabe, heißt es bei der Dii.
Das hat auch mit der Entwicklung der erneuerbaren Energien zu tun. Mittlerweile gibt es in vielen Gegenden Europas Ökostrom im Überfluss, so dass schlicht der Bedarf weggefallen ist. Allein in Deutschland etwa wird an richtig guten Tagen so viel Strom über Solaranlagen ins Netz eingespeist, als mehr als ein Dutzend Atomkraftwerke produzieren. Der Ruf nach Staatsgeldern für das Wüstenstrom-Projekt stieß auf wenig Gegenliebe und verhallte ungehört. Vor Ort werden die Projekte allerdings schon politisch unterstützt, beispielsweise über die Deutsch-Marokkanische Gemischte Wirtschaftskommission, die kürzlich zu einer Sitzung in Casablanca zusammentraf.
Zum Solarboom in Deutschland kam auch der Atomausstieg, den die Energiekonzerne schneller als ursprünglich gedacht stemmen müssen. Das kostet Geld, das für den Ausbau erneuerbarer Energien fehlt. Der Energieriese E.on beispielsweise hat auch deshalb bereits seinen Rückzug aus dem Wüstenstrom-Projekt verkündet und ist damit anderen Schwergewichten wie Siemens gefolgt. Hinzu kamen kaum kalkulierbare Kosten für den Stromtransport aus Nordafrika. Ausgerechnet dem von der europäischen Schuldenkrise gebeutelten Spanien wäre dabei eine Schlüsselrolle zugekommen.
Der arabische Frühling, politische Umbrüche in der Region, Terror-Gefahren und Bürgerkriege: Die Voraussetzungen für große Energieprojekte in den Ländern, die einst als besonders aussichtsreich für Desertec galten, waren in den vergangenen Jahren nicht gerade rosig. Auch andere Branchen kämpfen mit großen Investitionsrisiken in der Region.