Sein Auftreten wirkt bescheiden, sein Lächeln ist verbindlich. Doch mit der Zurückhaltung ist es schnell vorbei, sobald Carlos Tavares vom Geschäft spricht und von seinem Ehrgeiz, stets die eigenen Grenzen auszureizen, um voranzukommen – und die der anderen. In seinem Management-Stil als Chef des französischen Autobauers PSA Peugeot Citroën inspiriert sich der gebürtige Portugiese, der im Alter von 17 Jahren nach Frankreich kam und dort sein Abitur machte, an seiner großen Leidenschaft, dem Autorennsport. „Lust an Leistung“ wolle er seinen Mitarbeitern vermitteln, sagte der Amateurrennfahrer selbst. 2014 übernahm er die Konzernleitung bei dem Traditionsunternehmen. Und setzte von Anfang an auf Teamwork – hierbei, so sagte er, gebe es eine „totale Analogie zwischen der Welt des Sports und der Welt der Unternehmen“.
Appetit, die Nummer eins zu sein
Seine Karriere startete Tavares 1981 nach dem Besuch einer Pariser Ingenieursschule bei Renault, wo er 2011 zur Nummer zwei hinter Konzernchef Carlos Ghosn aufstieg. Doch zwischen beiden kam es zum Bruch, als Tavares 2013 in einem Interview unverblümt seinen Willen zu einem nächsten Karriereschritt ausdrückte: „Es gibt einen Moment, wo Sie die Energie und den Appetit haben, Nummer eins zu werden. Meine Erfahrung könnte jedem Autobauer nutzen.“ Wenige Monate später wechselte Tavares ausgerechnet zu Renaults großem Rivalen PSA – der allerdings zu diesem Zeitpunkt gerade an der Pleite vorbeigeschrammt war.
Verhindert wurde sie, weil der französische Staat einsprang und der chinesische Autokonzern Dongfeng als neuer Großaktionär hinzukam; beide halten 14 Prozent vom Kapital, ebenso wie die Familie Peugeot. Den Beinahe-Niedergang des Traditionsunternehmens erlebte Frankreich, wo PSA mehr als 100 000 Mitarbeiter beschäftigt, als nationales Drama.
Medien nannten Tavares' Vorgänger Philippe Varin den „meistgehassten Mann Frankreichs“, denn er beschloss Maßnahmen, die sein Nachfolger in der Folge umsetzen musste: tausende Stellenstreichungen, die Schließung eines Werks bei Paris, die Ausdünnung der Modell-Palette und einen strikten Sparkurs.
Doch dank dieser Rosskur scheint das Unternehmen nicht nur saniert – wie nun bekannt wurde, prüft es sogar die mögliche Übernahme von Opel und Vauxhall vom US-Konzern General Motors (GM). In der Frage um einen möglichen Opel-Kauf ist Tavares einem Unternehmenssprecher zufolge zu Gesprächen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Gewerkschaften bereit. Offenbar will der 58-Jährige weiter auf den europäischen Markt setzen und die Rationalisierung des Betriebs vorantreiben.
Mineralwasser statt Rotwein
Diese betraf bei PSA alle Bereiche – von der Senkung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis zur Aufgabe des prestigeträchtigen Konzernsitzes in bester Pariser Lage; allerdings nicht sein eigenes Gehalt, das sich Tavares 2016 so großzügig erhöhte, dass die Gewerkschaften und sogar der Staat als einer der Hauptaktionäre protestierten.
Die Dauer von Konferenzen wurde auf ein Minimum gekürzt, statt üppiger Geschäftsessen mit Rotwein gibt es unter dem asketisch lebenden Tavares leichte Kost und Mineralwasser, wie Mitarbeiter verraten: Das sei „ein Symbol und eine Revolution zugleich“. Strikt hält es der Sammler von Oldtimer-Wagen und Vater von drei Kindern auch mit der eigenen Arbeitszeit und dem Schutz seines Privatlebens: Ab acht Uhr abends, sagt Carlos Tavares, sei er zuhause – „und dann gibt es keine E-Mails mehr“.