Für die meisten Bundestagsabgeordneten ist ein Facebook-Account Pflicht. Er hilft ihnen, mit Wählern in Kontakt zu bleiben, ihre Reden und Aufsätze zu verteilen oder einfach den Menschen hinter dem Menschen zu zeigen. Der Hobbys hat, eine fröhliche Familie oder Gewichtsprobleme wie der heutige Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), der als einer der Pioniere der sozialen Medien im Parlament auch immer wieder über Privates plauderte.
An diesem Mittwoch allerdings, der pikanterweise der europäische Tag des Datenschutzes ist, wird Facebook im Bundestag selbst zum Politikum. Vor dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sitzt Lord Richard Allan, der für die Kontakte des Konzerns zur Politik in Europa verantwortlich ist und den Abgeordneten erklären soll, warum Facebook immer noch mehr Informationen über seine Nutzer sammeln und speichern will. Mit den neuen Geschäftsbedingungen will das Unternehmen von diesem Freitag an Werbung noch genauer auf seine Mitglieder zuschneiden und unter anderem auch deren Einträge in Suchmaschinen wie Google oder Yahoo auswerten. Je besser er über seine Nutzer Bescheid weiß, so der Gedanke dahinter, umso mehr Werbung verkauft der Konzern.
Den Einwand der Parlamentarier, das könnte gegen den strengen deutschen Datenschutz verstoßen, lässt Lord Allen allerdings an sich abprallen. Facebook halte sich an die Regeln der Europäischen Union, sagt er lediglich, und im übrigen habe das Unternehmen seinen Firmensitz nicht in der Bundesrepublik, sondern im irischen Dublin.
Formal sei das in Ordnung, räumt der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner ein, der wie 27 Millionen andere Deutsche ebenfalls einen Facebook-Account hat. „Aber welche Folgen das hat, ist längst nicht jedem bewusst.“ Niemand wisse, welche Daten der Konzern an welche Unternehmen weiterreiche, und wer sich die Mühe mache, die neuen Geschäftsbedingungen zu studieren, werde von Seite zu Seite, von Link zu Link weitergeleitet und verliere irgendwann den Überblick. Brunner und die meisten seiner Kollegen wollen es deshalb nicht bei dem einen Gespräch bewenden lassen.
Bei den Verhandlungen über das neue europäische Datenschutzrecht, verlangt der SPD-Mann aus dem Landkreis Neu-Ulm, müsse die Bundesregierung auf möglichst strenge Standards für den Datenschutz pochen. Justizstaatssekretär Ulrich Kelber (SPD) hat Facebook überdies aufgefordert, die geplanten Änderungen zu verschieben – bislang allerdings ohne Erfolg. Nachdem sich in der vergangenen Legislaturperiode bereits die damalige Verbraucherministerin Ilse Aigner an Facebook abgearbeitet und sogar publikumswirksam ihren Account gekündigt hatte, steht der Koalition nun offenbar ein neues Kräftemessen bevor. „Facebook macht seine Nutzer zu transparenten Menschen, ist aber selbst alles andere als transparent“, kritisiert der ehemalige FDP-Abgeordnete Stephan Thomae, der heute als Fachanwalt für IT-Recht im Allgäu arbeitet.
Zwar können die Nutzer von Facebook künftig genauer festlegen, wer ihre Einträge alles sehen kann und Anzeigen auch ausblenden. Das aber wiegt die Nachteile der Neuregelung nach Ansicht der Ausschussvorsitzenden Renate Künast nicht auf: „Noch immer ist nicht klar“, sagt die Grüne, „welche Daten Facebook eigentlich zu welchem Zweck sammelt, nutzt und auswertet.“ Den neuen Geschäftsbedingungen widersprechen können die Nutzer des Netzwerkes übrigens nicht. Wer nicht mit ihnen einverstanden ist, hat nur eine Alternative: Seinen Account zu löschen.