Der Preisauftrieb in Deutschland bleibt mickrig. Das entlastet die Geldbeutel der Verbraucher. Sparer leiden hingegen weiter darunter, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Inflation mit Zinsen knapp über der Nulllinie befeuern will.
Noch zu Jahresbeginn waren die Verbraucherpreise in Deutschland erstmals seit Jahren gesunken. Danach stiegen sie mehrmals in Folge auf immerhin 0,7 Prozent im Mai, bevor der Aufwärtstrend im Juni vorerst gestoppt wurde: Vor allem die erneut stark gesunkenen Energiepreise drückten die Inflationsrate nach Angaben der Statistiker vom Dienstag auf 0,3 Prozent. Damit bleibt die jährliche Teuerung im ersten Halbjahr weit vom Ziel der EZB entfernt, die eine Rate von knapp unter 2,0 Prozent anstrebt. Und das, obwohl die Währungshüter mit Null-Zinsen und einer historischen Geldschwemme seit Monaten gegensteuern.
Alle Verbraucher: Autofahrer können ihren Tank günstiger füllen als im Vorjahr, auch Haushaltsenergie ist billiger geworden. So bleibt mehr Geld für andere Dinge übrig: Das stärkt den privaten Konsum, der derzeit die wichtigste Stütze der deutschen Konjunktur ist.
Hinzu kommt: Bei Arbeitnehmern bleibt von der Gehaltserhöhung unterm Strich mehr übrig. Nach Angaben der Statistiker sind die realen Einkommen deutscher Arbeitnehmer im Auftaktquartal 2015 um 2,5 Prozent gestiegen und damit so stark wie seit 2008 nicht mehr – weil sich die Verbraucherpreise im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr nicht verändert haben.
Auch die 20,6 Millionen Rentner haben mehr Geld zur Verfügung: Seit Juli bekommen sie im Westen der Republik 2,1 Prozent und im Osten 2,5 Prozent mehr Geld. Nach Abzug der Inflation bleibt der Großteil davon übrig.
Die Währungshüter haben ihr Inflationsziel nicht ohne Grund auf knapp unter zwei Prozent gesetzt: Die Notenbanker nehmen diese Steigerung des Preisniveaus in Kauf, um mögliche Fehler bei der Preismessung zu berücksichtigen und um einen Sicherheitsabstand zur Deflation – also einem Preisverfall über einen längeren Zeitraum quer durch alle Warengruppen – zu bewahren. Denn dies könnte die Konjunktur zum Erliegen bringen, weil Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen und Investitionen aufschieben – schließlich könnte es ja bald noch billiger werden. Zudem soll sichergestellt werden, dass auch Euroländer mit unterdurchschnittlicher Inflationsrate nicht gleich in eine Deflation geraten, wie die Bundesbank betont.
Sie müssen damit leben, dass die EZB die Zinsen quasi abgeschafft hat, um den Preisauftrieb zu stärken. Das kostet Sparer viel Geld.
Die DZ Bank rechnet vor: „Im Vergleich zu einem als Normalniveau angesehenen Referenzzinssatz summieren sich die Einkommenseinbußen der privaten Haushalte in Deutschland von 2010 bis 2014 auf 190 Milliarden Euro – mit steigender Tendenz.“
Das glauben auch die Ökonomen von Union Investment: „Tatsächlich entgehen den deutschen Sparern unter der Annahme eines um zwei Prozent niedrigeren Zinsniveaus in den nächsten fünf Jahren 224 Milliarden Euro auf ihre gesamten Spareinlagen, pro Haushalt sind das mehr als 5600 Euro.“ Demgegenüber stehen allerdings die Vorteile geringerer Kreditzinsen etwa beim Hauskauf. Unterm Strich bliebe nach den Angaben ein Minus von knapp 60 Milliarden Euro – pro Haushalt sei dies ein Vermögensverlust von netto 1586 Euro.
Die Deutsche Bundesbank geht davon aus, dass sich der Anstieg der Verbraucherpreise bis 2017 erheblich verstärken wird.
Denn die dämpfenden Effekte durch den Einbruch der Rohölnotierungen ließen allmählich nach, während der schwächere Eurokurs den Preisauftrieb stärken dürfte: „Insgesamt könnte sich der Verbraucherpreisanstieg von 0,5 Prozent im laufenden Jahr auf 1,8 Prozent im Jahr 2016 und auf 2,2 Prozent im Jahr 2017 erhöhen“, heißt es.
Auch die robuste Konjunktur und die Geldflut der EZB sprechen dafür, dass die Inflation allmählich anziehen wird.