Mit einem Abschluss hatte ernsthaft niemand gerechnet, als sich am Dienstag die Vertreter von IG Metall und der deutschen Zeitarbeitsbranche in Frankfurt trafen. Sie enttäuschten die Erwartungen nicht und vertagten die Verhandlungen für mehr als 200 000 Leiharbeiter in der zentralen deutschen Industriebranche Metall und Elektro auf den 27. April. Damit ist die Gefahr eines Arbeitskampfes in der deutschen Metall- und Elektroindustrie ab Ende April deutlich gestiegen. Die künftige Behandlung der Leiharbeiter ist neben der Übernahme der Ausgelernten zentrales Thema der Tarifauseinandersetzung in der Branche mit rund 3,6 Millionen Beschäftigten. Die IG Metall will für die meist jungen Leiharbeiter, von denen sie knapp 40 000 in den eigenen Reihen weiß, Substanzielles herausholen und die dauerhafte Niedriglohnlinie in den Betrieben verhindern.
Erste gemeinsame Aktionen
„Wir sind bei dem Thema beschissen worden“, sagt Gewerkschaftschef Berthold Huber. In diesem Frühjahr hat Deutschlands mächtigste Gewerkschaft die beiden getrennten Tarifthemen geschickt miteinander verbunden und ihre starken Belegschaften in der Auto- und Maschinenbauindustrie in Stellung gebracht. Erste gemeinsame Aktionen von Stamm- und Leiharbeitern sind bereits gelaufen, wenngleich der Tarifvertrag für die Zeitarbeit erst im kommenden Jahr ausläuft. Die Gewerkschaft verfolgt eine Doppelstrategie: In ihrer Branche sollen die Betriebsräte mehr mitbestimmen, ob und zu welchen Konditionen Arbeitskräfte von außen eingesetzt werden. Um bessere Bezahlung für die bei den Zeitarbeitsfirmen angestellten Leute zu erreichen, hat sie zudem auf die Tarifverhandlungen mit den Zeitarbeitsverbänden gedrängt. Ziel ist ein pauschaler Branchenzuschlag, der die Differenz zwischen Leih- und Metalltarif so weit wie möglich ausgleicht. Zusätzliche Aufschläge bis hin zur Gleichbezahlung sollen dann noch einmal in den Einzelbetrieben herausgeholt werden, wie es bislang schon in Hunderten von Betrieben über sogenannte Besservereinbarungen gelungen war.
Keine zweite Lohnlinie
„Branchenzuschlag und mehr Mitbestimmung über Leiharbeit sind für uns zwei Seiten derselben Medaille“, sagt die Zeitarbeits-Verhandlungsführerin der IG Metall, Helga Schwitzer. Die Tarifexpertin im Gewerkschaftsvorstand warnt die Metall-Arbeitgeber vor dem Glauben, das Thema aus der Metallrunde heraushalten zu können. Die Leiharbeitsfirmen müssten an dauerhaften fairen Regelungen interessiert sein. Die Stammkräfte handelten nicht nur aus Solidarität mit den Leiharbeitern, sondern auch aus eigenem Interesse. „Es geht alle etwas an, die zweite Lohnlinie im Betrieb zu verhindern.“ Es gehe auch darum, ob Leiharbeit weiterhin missbraucht werde oder fair gestaltet werde.
Zeitarbeit befürchtet Nachteile
Die Zeitarbeitsverbände fürchten bei zu hohen Aufschlägen um ihr Geschäftsmodell. „Wir müssen aufpassen, dass unsere Branche nicht abgewürgt wird“, sagt Verhandlungsführer Thomas Bäumer. Nur mit niedrigen Einstiegsgehältern könne die Zeitarbeit ihre Funktion erfüllen, vormals Arbeitslose wieder in die Beschäftigung zu bekommen. Gesamtmetall hat der Grundkonstruktion von Branchenzuschlägen bereits zugestimmt. „Es ist nachvollziehbar, die Vergütungen in der Zeitarbeit schrittweise an die Bezahlung der Stammbelegschaften heranzuführen“, sagte Gesamtmetallchef Martin Kannegiesser kürzlich. Die Industrie verlangt aber Kompensationen für die Nachteile bei Arbeitskosten und Flexibilität: Wird die Zeitarbeit verteuert, können die Gehälter der Stammbelegschaft nicht so stark steigen.