76 000 Menschen in Unterfranken haben ein dickes Problem: Sie sind überschuldet, können also dauerhaft ihre Verbindlichkeiten nicht mehr begleichen. Diese Zahl nahm 2017 im Vergleich zu 2016 im Regierungsbezirk um 2,4 Prozent zu, hat das Inkassounternehmen Creditreform festgestellt. Dieser Anstieg ist in Unterfranken deutlich größer als in Gesamtdeutschland (1 Prozent).
Auch Aschaffenburg hat ein Problem
Wie es in dem am Dienstag in Würzburg vorgestellten Creditreform-Schuldneratlas weiter heißt, hat die Region ein Sorgenkind: die Stadt Schweinfurt. Dort stecken knapp 11 Prozent der Menschen über 18 Jahren in der Schuldenfalle, ähnlich sieht es in Aschaffenburg aus. In Unterfranken und Bayern sind es etwa 7 Prozent, in Deutschland 10 Prozent. Die Stadt Würzburg liegt bei nahezu 8 Prozent, am geringsten ist die Quote in den Landkreisen Schweinfurt und Main-Spessart (je 5 Prozent).
Freilich wird klar, dass Bayern im Allgemeinen und Unterfranken im Besonderen Inseln der Glückseligkeit sind, was die Überschuldung der Bevölkerung angeht. Im Vergleich zu anderen Gegenden Deutschlands sieht es zwischen Untermain, Rhön und Steigerwald geradezu harmlos aus.
Wie die Bundesländer abschneiden
Bundesweit am schlimmsten ist die Lage im Bundesland Bremen, wo 14 Prozent der erwachsenen Bevölkerung überschuldet sind; es folgen Sachsen-Anhalt und Berlin (je 13 Prozent). Grundsätzlich ist die Lage in den (Groß-)Städten prekärer als in den Landkreisen. So liegt Bremerhaven bundesweit an der Spitze: Dort ist jeder Fünfte überschuldet. Im Kreis Schweinfurt zum Beispiel ist es hingegen nur jeder Zwanzigste. Im Durchschnitt steht jeder volljährige Bundesbürger laut Creditreform mit 30 000 Euro in der Kreide. Das Unternehmen stützt sich beim Schuldneratlas auf eigene Zahlen mit Stand 1. Oktober 2017.
Problemfall Schweinfurt: Grund ist unklar
Warum die Überschuldung ausgerechnet in Schweinfurt so ausgeprägt ist, darauf konnte Creditreform am Dienstag keine Antwort geben. Klar sei aber: In Unterfranken sind es vor allem Männer (9 Prozent/Frauen: 5 Prozent) und die Gruppe der 30- bis 39-Jährigen, die in gravierenden finanziellen Schwierigkeiten stecken.
Auch Michaela Link von der Kolping-Schuldnerberatung in Schweinfurt kann sich keinen Reim darauf machen, wieso ausgerechnet die Industriestadt in der Statistik herausragt. Ohne für 2017 schon eigene Zahlen zu haben, könne sie aber sagen, dass es in Schweinfurt keinen signifikanten Anstieg gegeben habe, so Link am Dienstag.
Harte Fälle haben zugenommen
Trotz dieser widersprüchlichen Aussagen geben die Creditreform-Zahlen ein interessantes Bild der unterfränkischen Gesellschaft ab. So haben Fälle von „harter Überschuldung“ in den vergangenen zehn Jahren um 33 Prozent zugenommen. Unter dieser Kategorie versteht Creditreform Menschen, die finanziell massiv gegen die Wand gefahren sind. 48 400 Menschen waren dies zuletzt in der Region.
Im Gegensatz dazu bezeichnet „weiche Überschuldung“ jene Fälle, in den erst einige wenige Mahnung verschickt worden sind. Diese Gruppe ist seit 2008 um 25 Prozent kleiner geworden (27 600 Betroffene). Mit anderen Worten: Wenn Menschen in Unterfranken mit ihrem Geld dauerhaft nicht mehr klar kommen, dann führt das in steigendem Maße massiv zur Katastrophe.
Zwischen 30 und 49 wird es am gefährlichsten
Für den Chef der Creditreform-Niederlassung in Würzburg, Raymond Polyak, sind gerade diese Zahlen alarmierend. Seine Schlussfolgerung: Der Bedarf an Schuldnerberatung „ist gestiegen“.
Am stärksten von Überschuldung betroffen sind in Unterfranken Menschen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren (10 Prozent) gefolgt von den 40- bis 49-Jährigen (9 Prozent). Gerade in diesen beiden Bevölkerungsgruppen habe die Stadt Schweinfurt „ein Überschuldungsproblem“, sagte Polyak. Jeweils jeder Sechste in dieser Altersspanne steckt im Schlamassel – Spitzenwert in der Region.
Was die Hauptgründe für Überschuldung sind
Warum Menschen ins finanzielle Loch fallen, hat im bundesdeutschen Schnitt vier Hauptgründe, die teilweise ineinandergreifen: Arbeitslosigkeit, Trennung/Scheidung/Tod eines Partners, Erkrankung/Sucht/Unfall sowie unwirtschaftliche Haushaltsführung – mit Anteilen zwischen 10 und 20 Prozent der Fälle. Auch ein gescheiterter Schritt in die Selbstständigkeit (8 Prozent) spielt eine Rolle.