Der Termin stand schon lange fest: Für den 24. Juli hatte die Firma Englert aus Wertheim-Bettingen im Main-Tauber-Kreis ihr traditionelles Sommerfest geplant. Ein großes Fest: Im vergangenen Jahr, sagt Firmeninhaber Michael Englert, waren mehr als 250 Gäste, Mitarbeiter und ihre Familien sowie Geschäftspartner gekommen.
Betrieb soll kein Hotspot werden
Lange hatte Englert an dem Termin festgehalten. Doch kurzfristig entschied er: Das Sommerfest wird wegen Corona nicht ausgerichtet. "Wir wollten nicht der Auslöser für einen Hotspot sein", sagt der Firmenchef und verweist auf einen lokalen Ausbruch im nahen Tauberbischofsheim vor zwei Wochen, der von einer privaten Feier ausgegangen sei.
Mit leeren Händen aber sollten die Mitarbeiter an diesem Tag nicht nach Hause gehen. Englert händigte ihnen Grillpakete für daheim aus: "Auch wenn wir nicht zusammen feiern konnten, so hatte doch jeder die Möglichkeit, am Wochenende sein eigenes Fest zu veranstalten."
Den Begriff des "Krisengewinners" lehnt Engert zwar ab. Aber er bestätigt: Für seine Firma als Lohnfertiger läuft es während der Corona-Krise besser als zuvor: "Wir haben volle Bücher, unser Auftragsbestand ist so hoch wie noch nie." Seine Firma profitiert von der gestiegenen Nachfrage im Bereich Medizintechnik, der mit einem Anteil von rund 40 Prozent der umsatzstärkste ist.
Jahresproduktion in nur einem Monat
Die Hälfte des Umsatzes erzielte ein sogenannter Plethysmograph. Was aussieht wie eine gläserne Telefonzelle, ist eine weitgehend abgeschlossene Kabine zur Lungenfunktionsdiagnostik. Mit den Ergebnissen können Ärzte Atemwegserkrankungen bestimmen. Englert produziert nahezu alle Teile selbst, baut sie zusammen und liefert die fertige Einheit aus.
Zum Portfolio der Firma gehören auch Sauerstoffmischer für Krankenhäuser. Für das laufende Jahr sei eine Produktion von 600 Geräten geplant gewesen, sagt Englert. Inzwischen geht der 47-Jährige davon aus, jeden Monat so viele Geräte zu fertigen. "Bis März lagen wir noch im Plan, danach war der hinfällig." Der Markteintritt sei seiner Firma zu einem sehr günstigen Zeitpunkt gelungen. Erst seit kurzem ist sie bei einem großen Medizintechnikkonzern als Lieferant für Sauerstoffmischer gelistet.
Und noch ein Bereich boomt: Das Metallbauunternehmen fertigt auch Ritzel für E-Bikes. Durch die derzeit steigenden Nachfrage nach Fahrrädern bezeichnet der Firmenchef auch dies als "Wachstumsstory".
Umsatz soll auch in diesem Jahr steigen
Weil das Familienunternehmen von Konstruktion über Schweißerei und Medizintechnik-Montage in ganz unterschiedlichen Bereichen tätig sei, könne es auf Einbrüche in den einzelnen Sparten besser reagieren, sagt Englert. Dadurch habe man den allgemeinen Auftragsrückgang von 60 bis 70 Prozent in der Maschinenbau-Branche ausgleichen können. In diesem Bereich fertigt die Wertheimer Firma unter anderem Teile für einen Druckmaschinenhersteller, für die Lötindustrie und für die Mess- und Regeltechnik.
Erzielte die Firma im vergangenen Jahr einen Umsatz von rund 13,5 Millionen Euro, geht Michael Englert trotz eines gesamtwirtschaftlichen Rückgangs in diesem Jahr von einem Anstieg um mehr als zehn Prozent auf 15 bis 16 Millionen Euro aus.
Gegründet wurde der Betrieb 1985 von Roland Breuninger. Englert trat 1999 ein - "als fünfter Mitarbeiter", wie er sagt. Ein Jahr später wurde er Gesellschafter, die Firma änderte ihren Namen in "Breuninger & Englert". 2009 übernahm Englert den Betrieb komplett mit damals 45 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von rund 3,4 Millionen Euro.
Firma wächst in der Krise weiter
Aktuell beschäftigt das Unternehmen 107 Mitarbeiter in den Bereichen Verwaltung, Logistik, Qualitätssicherung und Montage. Während der Corona-Krise kamen sechs neue Mitarbeiter hinzu, weitere werden per Stellenausschreibungen gesucht. Und auch in diesem Herbst würden wieder zwei Auszubildende ihre Lehre zum Industriemechaniker beginnen, so Englert.
Obwohl seine Firma die Krise wohl besser als viele andere Klein- und Mittelständler überstehen wird, sagt Englert: "Mir wäre es am liebsten, wenn alles ohne Corona so laufen würde." Und er hofft, dass im nächsten Jahr auch das Sommerfest wieder wie gewohnt stattfinden kann.