
Sonderlich spektakulär sieht er nicht aus, der Cocktail-Roboter – fast wie ein Kaffeevollautomat, nur mit Bildschirm und herausragenden Flaschen. Die Bestellung funktioniert natürlich per Smartphone-App: Mit oder ohne Alkohol ist die erste Option, dann einen der zahlreichen Cocktails auswählen und anschließend das Handy schütteln. Den so generierten Barcode hält man vor die Maschine und schon fließt das gemischte Getränk ins Glas. Prost! Auf der IT-Fachtagung MainIT beim Internetdienstleister iWelt in Eibelstadt (Lkr. Würzburg) konnten sich die rund 300 Besucher am Donnerstag so nicht nur Vorträge über Digitalisierung im Unternehmen anhören, sondern auch das Veranstaltungsthema „Digitale Transformation“ sprichwörtlich schmecken.
„Wo es neue Gewinner gibt, gibt es auch neue Verlierer“, eröffnete Marketingexperte Dietmar Dahmen die Tagung. Das sei jedoch nichts Schlechtes und ein natürlicher Vorgang – eine Evolution sozusagen, die oftmals klassische Betrachtungsweisen auf den Kopf stelle.
Dahmen illustriert das so: „Da hat jemand beim Poker vier Asse und glaubt zu gewinnen. Was mache ich? Ich zieh einen Revolver! Das ist verboten? Na und!“ So sei es ständig in der Wirtschaft. Bestes Beispiel: Napster. Was als illegale Musiktauschbörse begann, mauserte sich über die Jahre zu einem legalen Streamingdienst. Anbieter wie Spotify oder Apple Music zogen nach. Heute sind sie aus dem Musikgeschäft nicht mehr wegzudenken.
„Tausende Jobs fallen weg“
Schon zeigen sich die Vorboten der nächsten Disruptoren, die bald das Leben der Menschen spürbar verändern werden. Disruptoren nennt Dahmen die Innovationen, die Bestehendes verdrängen – und ganz plötzlich da sind. Schon heute gibt es 3-D-Drucker, die Häuser, Autos, Straßen, Essen und alles andere Vorstellbare auf Knopfdruck produzieren. Ein weiterer Trend ist Virtual Reality: „Überlegen Sie mal, wie oft man den besten Platz im Stadion verkaufen kann. Genau ein Mal. Mit Virtual Reality können Sie diesen Sitz millionenfach verkaufen“, erläutert Dahmen das Marktpotenzial dieser Computertechnologie.
Auch werde die Kommunikation von Maschinen untereinander immer wichtiger, Stichwort Industrie 4.0. Das gehe so weit, dass der Computer auch den Bezahlvorgang übernimmt und damit eine große Konsumhürde einfach ausschaltet. Roboter und künstliche Intelligenz würden ebenfalls bald viele Aufgaben übernehmen, die bisher Menschen ausführen. „Tausende Jobs werden wegfallen“, bestätigt Dahmen das Totschlagargument der Digitalisierungskritiker.
Besonders unglücklich scheint er darüber jedoch nicht zu sein: „1850 waren noch die Hälfte der Deutschen Bauern.“ Heute beschwere sich aber keiner mehr über Melkmaschinen, die die Milch so schön günstig machen. Dahmen stellt sogar die Antithese auf: „Je technischer das Leben wird, desto wichtiger wird der Mensch.“ So sei die größte Abteilung beim Silicon-Valley-Unternehmen Airbnb das Beschwerdemanagement. Maschinen könnten nur da effizient sein, wo alles nach Plan läuft. Der Mensch greife aber noch korrigierend ein.
Auch wenn es schillernde Beispiele wie Spotify, Airbnb oder Uber gebe, täten sich die Unternehmen insgesamt noch schwer mit dem digitalen Fortschritt. So sammelten zwar 98 Prozent aller Firmen Daten, doch nur acht Prozent wüssten sie miteinander zu verknüpfen – und nur ein kleiner Bruchteil verstehe es, damit zu arbeiten, sagt Dahmen.
Risiken eingehen
Das liegt nicht nur an mangelnder Expertise, sondern zu einem guten Teil auch an rechtlichen Hürden, erklärt kurz darauf der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun. Beispielsweise hindere Unternehmen die Angst vor Verstößen gegen das Datenschutzgesetz oftmals vor der Nutzung von Daten. „Aber ein Großteil wird nicht verfolgt“, versuchte Jun ganz untypisch für einen Juristen diese Angst zu dämpfen. Ein gewisses Risiko müsse man eingehen. Manchmal sei das sogar wirtschaftlicher, als Vorhaben wegen rechtlicher Bedenken ganz zu begraben, so Jun. Firmen im Ausland machten das ohnehin so. Nicht förderlich sei da der langsame deutsche Gesetzgeber, der etwa öffentliches WLAN aufgrund der Störerhaftung über Jahre zum seltenen Phänomen machte oder die Abmahnindustrie ausufern lasse.
Dass Automatisierung längst auch im Alltag möglich ist, zeigt derweil vor dem Gebäude ein Auto. Selbstständig kann der Mercedes ein- und ausparken. Wegen gesetzlicher Vorgaben muss der Fahrer aber noch so lange den Finger auf einen Knopf in einer Smartphone-App halten.
Und auch der Cocktailroboter funktioniert noch nicht ganz autonom. Ein Glas darunterstellen und den Cocktail nach dem Einfüllen schütteln – das muss immer noch ein Mensch machen. Bis also das selbstfahrende Auto den Cocktailliebhaber nach Hause fährt, wird noch etwas Zeit vergehen. Aber sicher nicht viel.