Die Hoffnungen sind groß: Nachdem der Iran seit fast einem Jahrzehnt vom Weltmarkt abgeschottet ist, könnten die strikten Wirtschaftssanktionen nach dem Atomabkommen mit dem Westen Anfang kommenden Jahres fallen. Bei den jüngsten Bilanzvorlagen wurde deutlich: Einige Manager deutscher Konzerne wittern große Chancen. Bei anderen überwiegt allerdings die Vorsicht. „Wir reden hier über 80 Millionen Menschen, die Energieversorgung benötigen, die natürlich auch Gesundheitsversorgung brauchen, die im Öl- und Gasgeschäft wieder auf die Beine kommen wollen“, sagte Siemens-Chef Joe Kaeser.
Chancen habe der Elektrokonzern durchaus. Ab 2010 hatte Siemens keine neuen Aufträge aus dem Iran mehr angenommen – das Umsatzvolumen wurde damals auf rund eine halbe Milliarde Euro beziffert. Noch ist nicht alles in trockenen Tüchern, die Aussichten aber sind verlockend: Der Iran ist ein reiches Land, gemessen an der Kaufkraft lag die Wirtschaftsleistung 2014 hinter Spanien und der Türkei weltweit auf Rang 18. Das Land hat zudem laut US-Energieagentur die weltweit viertgrößten nachgewiesenen Erdölreserven. Die Erwartungen wachsen allerdings nicht in den Himmel: Vor den Sanktionen 2005 importierte der Iran Waren „Made in Germany“ im Wert von nur rund 4,4 Milliarden Euro.
2014 waren es weniger als 2,4 Milliarden – Rang 50 der deutschen Handelspartner. Am deutlichsten gelitten hätten vor allem Maschinen- und Fahrzeugexporte, schreibt der Deutsche-Bank-Experte Heiko Peters. Die deutschen Autohersteller geben sich vorsichtig. Man sei erst am Anfang, heißt es bei BMW, bei VW werden erste Gespräche auf politischer Ebene geführt. Laut Daimler-Chef Dieter Zetsche sind die Nutzfahrzeuge der Stuttgarter im Land begehrt. Branchenkenner sind aber skeptisch, ob deutsche Oberklassewagen im Iran schnell Käufer finden. Die deutsche Chemie bewertet die jüngste Entwicklung wohlwollend. Es könne sich „nur belebend“ auswirken, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI), Utz Tillmann. Die Branche habe in der Region eine „lange Tradition“. Das gilt seit den 1970er Jahren auch für den Konsumgüterkonzern Henkel. „Derzeit erwirtschaften wir in dem Land einen dreistelligen Millionenumsatz und sind zuversichtlich, dass wir dort wachsen werden“, sagte Vorstandschef Kasper Rorsted. Henkel ist dort führend bei Waschmitteln, aber auch gut im Rennen im Geschäft mit Klebstoffen. SAP-Finanzchef Luka Mucic formulierte es so: „Der Iran kann für uns ein sehr interessanter Markt werden. Historisch haben wir im Iran eine Industriestruktur, die uns bei SAP entgegenkommt, eine starke Öl- und Gasindustrie etwa.“
Unter den Finanzunternehmen verspricht sich der Rückversicherer Munich Re einiges. „Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird der Rückversicherer dort eine Rolle spielen“, sagte Vorstandschef Nikolaus von Bomhard. Bei Banken ist die Sache komplizierter. Sie wollen sich nicht erneut die Finger verbrennen. „Die Lage beim Iran hat sich de facto nicht geändert“, sagte Commerzbank-Finanzchef Stephan Engels, die Sanktionen seien weiter in Kraft. Im März hatten US-Behörden die Commerzbank zu einer Strafe von 1,45 Milliarden Dollar wegen früherer Verstöße gegen US-Handelssanktionen bei Geschäften mit dem Land verdonnert. Die Deutsche Bank wartet wegen ähnlicher Verstöße auf einen Vergleich.
Kritisch sehen die Maschinenbauer die zögerliche Haltung der Banken. Gerade die mittelgroßen Unternehmen bräuchten eine verlässliche Finanzierung für Auslandsgeschäfte, argumentiert der Branchenverband VDMA. Mittelfristig könne der Iran zu einem Exportmarkt für die Deutschen von bis zu 1,5 Milliarden Euro werden.