
Manfred Kremer fiel Anfang Januar aus allen Wolken: Der Textilhändler NKD hatte angekündigt, für Januar nur 10 Prozent Ladenmiete für Kremers Räume in Ebelsbach (Lkr. Haßberge) zahlen zu wollen. Die Einnahmeeinbußen in Folge des aktuellen Corona-Lockdowns zwängen dazu, so NKD in einem Schreiben.
Damit ist Kremer überhaupt nicht einverstanden. NKD habe die volle Monatsmiete in Höhe von 4400 Euro bis 25. Januar zu zahlen, so seine Frist an das Unternehmen in Bindlach bei Bayreuth. Die Oberfranken reagierten in der Zwischenzeit mit dem Vorschlag, 50 statt 10 Prozent Miete zu zahlen. Auf die anderen 50 Prozent solle Kremer verzichten. Das zeigen Unterlagen, die dieser Redaktion vorliegen.
Welche Argumente der Vermieter hat
Doch Kremer lehnt diese Idee ab. Der 49-Jährige verweist darauf, dass NKD ja ein großes Unternehmen sei, das Einnahmeeinbußen aus Rücklagen ausgleichen könne und das ja schließlich über den Online-Handel weiterhin Geschäfte mache. "Meine Finanzierung aber ist verdammt eng", so der Ebelsbacher.
Kremer führt im selben Gebäude wie NKD unter anderem einen Handyshop und eine Postagentur. Das Gebäude ließ er nach eigenen Worten 2014 bauen. Bis heute müsse er dafür ein Darlehen tilgen. Weil auch sein Handyshop wegen des Lockdowns geschlossen sei, könne er sich nur mit seiner Postagentur ein bisschen über Wasser halten und sei deshalb auf die volle Miete von NKD angewiesen. Staatliche Corona-Hilfe bekomme er nicht, weil sein Unternehmen durchs Raster der Vorgaben falle.
Was der Mieter vorbringt
Auf Anfrage äußerte sich die NKD-Zentrale nicht direkt zu dem Mietstreit in Ebelsbach. Vielmehr verweist Sprecher Jörg Roßberg darauf, dass seinem Unternehmen wegen des Lockdowns "schlagartig sämtliche Einnahmen" weggebrochen seien. Das zwinge NKD im Interesse seiner Kunden, seiner 8000 Mitarbeiter und seiner Lieferanten "zu Gegenmaßnahmen". Hilfsgelder des Staates seien bislang nicht angekommen.
Nach Kenntnis dieser Redaktion ist Ebelsbach kein Einzelfall. NKD verschickte in den vergangenen Tagen einen Serienbrief an seine Vermieter mit dem Hinweis, für Januar nur jene 10 Prozent Miete zahlen zu können. Das Unternehmen beruft sich auf Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die im Zuge der Pandemie angepasst wurden.
Ebelsbach ist auch in anderer Hinsicht offenbar kein Einzelfall: Jurist Ralf Jaspert vom unterfränkischen Einzelhandelsverband bestätigte auf Anfrage, dass vom Lockdown betroffene Geschäftsleute derzeit vermehrt versuchen, ihre Ladenmiete zu drücken. Solche Fälle gebe es derzeit "relativ häufig".
Schon bei der ersten Welle der Pandemie 2020 war das Thema aufgetaucht. Damals machte vor allem der fränkische Sportartikelhersteller Adidas Schlagzeilen, weil er für seine Läden die Mietzahlungen stoppte. Unter anderem der Schuhhändler Deichmann und die Modekette H&M gingen ähnlich vor.
Verbandsjurist Jaspert warnt Ladenmieter ausdrücklich vor eigenmächtigen Schritten. Das Gesetz sehe vielmehr vor, dass Mieter und Vermieter aufeinander zugehen und sich einigen sollten. Auf welche Miethöhe oder auf Stundung, "das ist den beiden Parteien überlassen" und hänge von den Umständen des Einzelfalls ab.
Was ein Jurist meint
Diese "offene Form der Verhandlungen" sei gut, denn sie gebe "kein Schema X" vor und halte für die Beteiligten viele Möglichkeiten offen – angepasst an die jeweilige Finanzkraft, so Jaspert. Um wie viele solcher Fälle es in Unterfranken derzeit geht und ob es schon im Streit gekündigte Mietverhältnisse gibt, dazu habe der Handelsverband keine Informationen.
Im Fall NKD will Manfred Kremer bis zum Äußersten gehen: Kündigung. Allenfalls die Stundung der Miete könne er sich vorstellen. "Ein paar Monate lang würde ich das schon schaffen."
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