Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) droht erneut eine Zitterpartie um den Chefposten: Christine Lagarde, die Nachfolgerin des über eine Sex-Affäre gestürzten Dominique Strauss-Kahn, muss sich an diesem Donnerstag einer unangenehmen Vernehmung durch Ermittler des französischen Gerichtshofs der Republik stellen. Die 57-Jährige steht unter Verdacht, in ihrer Zeit als französische Wirtschaftsministerin (2007-2011) eine gigantische Entschädigungszahlung von Hunderten Millionen Euro an den früheren Adidas-Haupteigner Bernard Tapie ermöglicht zu haben. Weil das Geld aus der Staatskasse kam, wird ihr Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen.
Für Lagarde geht es bei der Affäre um ihre Karriere und ihren Ruf als umsichtige Krisenmanagerin. Sollten die Ermittler die Verdachtsmomente gegen die IWF-Chefin bestätigt sehen, muss sie mit der Einleitung eines Anklageverfahrens rechnen. Eine schwere Last – auch wenn dies noch nicht bedeutet, dass es wirklich zu einem Prozess kommt.
Die Betroffene weist die Vorwürfe vehement zurück. Sie könne es nicht erwarten, sich den Fragen der Ermittler zu stellen, meinte die Juristin, nachdem Polizisten im März ihre Pariser Wohnung durchsucht hatten. „Frau Lagarde hat nichts zu verstecken“, so ihr Anwalt Yves Repiquet.
Es geht um 400 Millionen Euro
Ausgangspunkt der Affäre um Lagarde ist der Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas durch den schillernden Geschäftsmann Tapie Anfang der 1990er Jahre. Er sah sich bei dem Geschäft von der damaligen Staatsbank Crédit Lyonnais geprellt und zog vor Gericht. Das Verfahren endete 2008 mit einem Schiedsgerichtsurteil, das dem Ex-Minister und früheren Eigner und Präsidenten des Fußballvereins Olympique Marseille 285 Millionen Euro Entschädigung zugestand. Inklusive Steuern flossen sogar rund 400 Millionen Euro. Lagarde hätte dieses Verfahren nicht zulassen dürfen, begründeten Initiatoren des Verfahrens wie der mittlerweile pensionierte Staatsanwalt Jean-Louis Nadal ihre Ermittlungen.