Eine Reise nach Kuba kommt einer Zeitreise gleich. Die Uhren ticken anders in dem größten Karibikstaat. „Man lebt dort nicht im Jahr 2016, sondern im 58. Jahr der Revolution“, sagt Thomas Karl Neisinger, deutscher Botschafter in Havanna, bei einem Treffen mit mainfränkischen Unternehmern, zu dem die IHK Würzburg-Schweinfurt eingeladen hatte. Wer auf Kuba Geschäfte machen will, braucht „einen langen Atem, der nicht in Jahren zu beziffern ist“, und die „Bereitschaft, in Vorleistung zu gehen“, erklärte Neisinger den knapp 20 Teilnehmern der Veranstaltung. Und: Man müsse sich von westlichen Verhältnissen verabschieden.
Importierte Lebensmittel und teures Internet
Denn auf Kuba gelten nach wie vor die Gesetze des Sozialismus. Die ökonomischen Rahmenbedingungen wirken dementsprechend wie aus einer anderen Zeit. „Alle Entscheidungen sind beim Staat zentralisiert“, so der in Würzburg geborene Botschafter. Der Industrie fehle eine Managerebene, die eigene Entscheidungen trifft. 74 Prozent der Kubaner arbeiten ohnehin im öffentlichen Sektor. Für etwa 27 US-Dollar im Monat – ein Grund, warum die Auswanderungswelle anhalte.
Personal, so Neisinger weiter, sei generell nur über Beschäftigungsagenturen zu bekommen, die mindestens 20 Prozent der Löhne als Provision einbehalten. Oft komme am Ende nur ein Bruchteil des Geldes bei den Arbeitnehmern an. 80 Prozent der Lebensmittel muss Kuba importieren und Internet gibt es laut Neisinger im Jahr 2016 – dem 58. Jahr der Revolution – nur für die wenigsten Kubaner. Die Infrastruktur sei durchaus vorhanden, „für Privatleute ist Internet aber viel zu teuer“, sagt Neisinger. Außerdem müsse ein entsprechender Anschluss vom Staat genehmigt werden.
Die Öffnung ist nur zaghaft
Dabei schienen die Zeichen zuletzt auf Öffnung zu stehen: Die Wiederaufnahme der 1961 abgebrochenen Beziehungen zu den USA und die jüngste Forderung von Staatschef Raúl Castro nach „mehr Wandelbereitschaft“ vermittelten den Eindruck.
Doch Neisingers Einschätzung fällt vorsichtig aus: „Es hat sich trotz Veränderungsbereitschaft bisher nicht viel getan“, sagt er, und was sich tue, „geht nur sehr langsam“. Auch in seiner Öffnung steckt Kuba zwischen den Zeiten: „Die Regierung will das System anpassen, aber wesentliche Elemente der Revolution erhalten“, so der Botschafter.
Südzucker hat andere Vorstellungen
Angesprochen auf ihre Kuba-Pläne reagierten die anwesenden Unternehmensvertreter entsprechend zurückhaltend. „Vor einem Jahr haben wir uns eine Zuckerfabrik auf Kuba angeschaut und uns Gedanken über ein Engagement gemacht“, berichtet etwa Olaf Böttcher von Südzucker International. „Unsere Vorstellungen gingen aber weit auseinander, sodass das im Sande verlaufen ist.“
Dass man dennoch erfolgreich Geschäfte auf Kuba machen kann, zeigt die Wilo Group mit Sitz unter anderem in Hof. Seit zehn Jahren ist der Pumpenhersteller in dem Land aktiv, hat eine Kooperation mit dem kubanischen Institut für Wasserwirtschaft, quasi dem zuständigen Ministerium, so Klaus Peter Stamm. Wilo baut auf Kuba Pumpstationen und Kläranlagen, hat in Havanna eine Tochtergesellschaft gegründet.
„Das Thema Wasseraufbereitung ist eine Kompetenz, die auf Kuba gebraucht wird“, sagt Stamm und kritisiert das Bundesentwicklungshilfeministerium, das dort vor allem auf erneuerbare Energien „Made in Germany“ setzen will.
Deutsche Angst und fehlende Kristallkugel
Wichtig sei es, jetzt Kontakte zu knüpfen – bevor mit einem Fall des Embargos US-Konzerne ihre Fühler ausstrecken –, und sich mehr auf die Chancen als auf die Risiken zu konzentrieren, findet Stamm. Ähnlich sieht es Ana Schemmel. Die Kubanerin appellierte an die Anwesenden, sich nicht von der „deutschen Angst“, sondern „vom Bauchgefühl“ leiten zu lassen. „Sonst bereut man es vielleicht in 20 oder 30 Jahren.“
Doch was bis dahin auf Kuba ist, steht in den Sternen. Feststeht, dass Raúl Castro 2018 das Präsidentenamt niederlegt. Ein Abschied von der Vergangenheit wird das aber wohl auch nicht: Chef der Kommunistischen Partei will der Fidel-Bruder nämlich bleiben. Was das für Kuba bedeutet? „Die Kristallkugel, habe ich vergessen“, sagt Neisinger.
Im günstigsten Fall, könnte es Kuba wie dem Iran ergehen. Seitdem für das Land die Sanktionen aufgehoben wurden, glauben viele Experten an einen wirtschaftlichen Export-Boom.