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Brüssel
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Die Brüsseler EU-Kommission hat getan, was man eben tut, wenn man aus politischen Gründen eigentlich eine Entscheidung fällen müsste, die man mit Rücksichtnahme auf andere wichtige Themen aber tunlichst unterlassen sollte: Man schiebt das Thema einfach jemand anderem in die Schuhe. Es gibt keine Zweifel, dass die italienische Regierung sich weiterhin einen Teufel um alle europäischen Regeln für einen stabilen Haushalt schert. In Brüssel hat man sich bisher geduldig und rücksichtsvoll gezeigt. Denn niemand wollte der starken Rechten in Rom auch noch Munition liefern. Doch das ging jetzt nicht mehr. Die jüngsten Zahlen belegen Italiens Abgleiten in immer weitere Dimension staatlicher Verschuldung. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finanzmärkte reagieren, die Bonität des Landes auf Ramschniveau heruntersetzen und somit frisches Kapital immer teurer wird. So hat die Staatsschulden-Krise um Griechenland und etlicher anderer Mitgliedstaaten auch begonnen.
Pierre Moscovici, der für Wirtschaft und Finanzen zuständige EU-Kommissar
Foto: Virginia Mayo, dpa | Pierre Moscovici, der für Wirtschaft und Finanzen zuständige EU-Kommissar
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 30.06.2019 02:11 Uhr

Die Brüsseler EU-Kommission hat getan, was man eben tut, wenn man aus politischen Gründen eigentlich eine Entscheidung fällen müsste, die man mit Rücksichtnahme auf andere wichtige Themen aber tunlichst unterlassen sollte: Man schiebt das Thema einfach jemand anderem in die Schuhe. Es gibt keine Zweifel, dass die italienische Regierung sich weiterhin einen Teufel um alle europäischen Regeln für einen stabilen Haushalt schert. In Brüssel hat man sich bisher geduldig und rücksichtsvoll gezeigt. Denn niemand wollte der starken Rechten in Rom auch noch Munition liefern. Doch das ging jetzt nicht mehr. Die jüngsten Zahlen belegen Italiens Abgleiten in immer weitere Dimension staatlicher Verschuldung. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Finanzmärkte reagieren, die Bonität des Landes auf Ramschniveau heruntersetzen und somit frisches Kapital immer teurer wird. So hat die Staatsschulden-Krise um Griechenland und etlicher anderer Mitgliedstaaten auch begonnen.

Doch zugleich weiß man in Brüssel, dass die EU eine wenigstens einigermaßen geneigte Regierung in Rom braucht, wenn in den nächsten Wochen und Monaten weitreichende Entscheidungen über die Gemeinschaft anstehen. Also (ver)schob man ein Defizit-Verfahren – erst einmal. Schließlich wird, wenn es um die Mittelfristige Finanzplanung (MFR) für die nächste Haushaltsperiode von 2021 bis 2027 geht, auch Rom sagen müssen, ob es zu höheren Beiträgen für die EU bereit ist.

Die Gemeinschaft treiben ungute Erinnerungen um. Spätestens seit der Griechenland-Krise weiß jeder, dass das Abrutschen eines Landes der Euro-Zone alle anderen in Mitleidenschaft zieht. Und selbst wenn inzwischen Hilfs- und Rettungsmechanismen installiert und mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in Luxemburg so etwas wie eine Notkasse errichtet wurde – ein großes Land wie Italien wäre nicht aufzufangen. Ein Staatsbankrott dieser Größenordnung würde Wellen schlagen, die die Währungsunion unweigerlich beschädigen dürften.

So bitter das für die Italiener auch sein mag, aber der von der Regierung eingeschlagene Weg, soziale Wohltaten auf Pump zu finanzieren, um dadurch mehr Nachfrage und indirekt mehr Wachstum auszulösen, funktioniert nicht. Man kann keine Schulden dadurch abbauen, dass man immer neue macht. Matteo Salvini, der starke Mann der Koalition in Rom, kann mit seinen Sprüchen nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ökonomisch am Ende ist.

 
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