Für die deutschen Geldinstitute verlief der Montag vergleichsweise ruhig. Dass EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier einen Frontalangriff gegen die europäischen Banken fuhr und wegen undurchsichtiger Girokonten-Gebühren ein EU-Gesetz ankündigte, konnte die hiesige Branche nicht aus der Fassung bringen: „Preisaushang, Preis- und Leistungsverzeichnis sowie Angaben in der monatlichen oder Quartalsabrechnung schaffen Transparenz für den Kunden“, hieß es bei den Spitzenverbänden.
Das stimmt zwar, ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich bereitet Brüssel nämlich einen sehr viel weitergehenden Vorstoß zur Verbraucherfreundlichkeit vor, der auch in der Bundesrepublik noch für einiges Aufsehen sorgen dürfte:
Girokonto: Zwar sind die Gebühren überall leicht ersichtlich, sie fallen aber höchst unterschiedlich aus. Auch die Kosten für die Girocard werden nicht einheitlich gehandhabt. Nur wenige bieten diesen Service kostenlos an. Da wird die EU-Kommission ansetzen.
Geldautomat: Spätestens zum Jahresende will Kommissar Barnier auch eine Vereinheitlichung der Gebühren für Barabhebungen. Die deutsche Verständigung zwischen den Banken wird vom Bundeskartellamt noch geprüft. Dass ein Kunde aber hierzulande immer noch zehn Euro abhebt und dafür vier Euro Gebühren berappen muss, stößt in Brüssel auf völliges Unverständnis.
Gebühren im Ausland: Barabhebungen im Ausland sind durchweg teurer als im Inland. Warum eigentlich, fragt man sich in der Kommission. Das langfristige Ziel ist klar: keine Unterschiede mehr, sofern es sich um andere EU-Länder handelt. Ob ein Bankkunde in Rom, Paris oder London Geld abhebt – die Gebühren sollen auf Dauer nur noch so hoch sein wie zu Hause.
Kreditkarten: Zwischen der Kommission und den großen Kreditkarten-Unternehmen herrscht seit langem dicke Luft. Der Grund: Brüssel sind die hohen Zuschläge und die unterschiedlichen Gebühren ein Dorn im Auge. Vor allem Visa und Mastercard hat man ins Visier genommen. Notfalls will die Kommission per Verordnung dafür sorgen, dass die Aufschläge gedeckelt werden – genau wie bei den Auslandsgebühren beim Mobilfunk (Roaming).
Kündigung: Großes Unverständnis zeigt Brüssel über die Hindernisse, die einem Kunden in den Weg gestellt werden, wenn er die Bank wechseln will. Die Kommission hatte gefordert, dass ein Wechsel des Geldinstitutes binnen 24 Stunden möglich sein solle. Tatsächlich dauert die Bearbeitung aber zwischen mehreren Tagen bis hin zu einigen Wochen. Ende des Jahres soll in einer Verordnung klar gestellt werden, dass die Banken sich nicht nur nicht querlegen dürfen, sondern sogar mithelfen müssen.
Überweisungen: Eigentlich sollte der einheitliche europäische Zahlungsraum (Sepa) längst verwirklicht sein. Doch ausgerechnet die Deutschen bremsen – vor allem wegen „Iban, der Schrecklichen“. Damit ist die neue, lange Kontonummer gemeint, die in anderen EU-Ländern schon länger Wirklichkeit ist. 2014 muss sich endlich eingeführt werden. Dann sollen Überweisungen binnen weniger Stunden, höchstens jedoch in einem Tag beim Empfänger sein. Und wer nur zeitweise ins EU-Ausland geht, braucht kein neues Konto mehr, um im Gastland Mietverträge abzuschließen oder die Steuern zu bezahlen. „Die Kommission übernimmt die Rolle des Verbraucheranwaltes“, kündigte Binnenmarkt-Kommissar Barnier jetzt an. Es gebe zu wenig Verständnis für den Kunden. Das werde man in den nächsten Monaten „konsequent“ ändern. Nicht nur kundenfreundlicher – auch sicherer soll Europas Finanzsystem werden. „Keine Bank, kein Finanzstandort und kein Finanzprodukt bleiben unkontrolliert“, hatte man den Bürgerinnen und Bürgern beim Ausbruch der Krise versprochen. Nach den ersten 25 Gesetzesvorschlägen zur Kontrolle der Branche widmet sich Brüssel nun auch den sogenannten Schattenbanken. „Dazu gehören Zweckgesellschaften, die Kredite vermitteln, Geldmarktfonds, Investitionsfonds, Hedge-Fonds und Versicherungsunternehmen, die Konsumentenkredite anbieten“, erklärte Barnier bereits am Montag. Mit solchen Konstruktionen versuchten Akteure am Finanzmarkt, sich der Überwachung durch die bisher geschaffenen Instrumente zu entziehen. Dabei haben sich die Transaktionen der Schattenbanken zwischen 2002 und 2010 verdoppelt – auf weltweit 46 Billionen Euro.
Die Tätigkeit ist regional sehr unterschiedlich. Während Schattenbanken in Deutschland rund fünf Prozent des gesamten Umsatzes der Finanzbranche stellen, sind es in Großbritannien 13 Prozent, in den USA zwischen 35 und 40 Prozent. „Wir werden keine neuen Risikofaktoren zulassen“, so Barnier.
Er will nun zunächst eine öffentliche Konsultation starten, die einem Gesetzesvorschlag vorausgeht. Dass der dringend nötig ist, sehen auch andere so. Jochen Sanio, früherer Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), warnte bereits vor zwei Jahren: „Bis zu einem Drittel der Aktiva des gesamten Finanzsystems werden in einer zwielichtigen Schattenwelt bewegt, die nur schwach oder gar nicht reguliert ist. Und das Volumen steigt weiter. Welche Risiken sich bei welchen der beteiligten Spieler aufbauen, können wir nicht erkennen. Schlimmstenfalls kann es zu großen Unfällen kommen, auf die dann niemand vorbereitet wäre.“