(dpa/rtr/huhe) Nach der geplatzten Fusion ist vor der nächsten Übernahme. Fast vier Milliarden Euro wollte Fresenius in die Hand nehmen, um den Konkurrenten Rhön mit der eigenen Krankenhaustochter Helios zu verschmelzen. Asklepios als Nummer drei am Markt schien der Deal so riskant, dass man weit über 100 Millionen Euro aufwendete, um mit gut fünf Prozent eine starke Minderheitenposition bei Rhön aufzubauen. Mit Erfolg, denn Fresenius blieb mit 84,3 Prozent deutlich unter den angestrebten 90 Prozent plus eine Aktie an Rhön. Die komplette Rhön-Übernahme sollte für Fresenius-Helios der große Befreiungsschlag im mühsamen und kleinteiligen Übernahmegeschäft mit maroden kommunalen und öffentlich-rechtlichen Krankenhäusern werden. In den vergangenen Jahren waren die Privaten, die etwa ein Drittel des deutschen Krankenhausmarktes beherrschen, an Grenzen des stürmischen Wachstums geraten: Große Happen wie Uni-Kliniken scheinen wegen der hohen Forschungsaufwendungen unverdaubar zu sein. Zudem entwickeln die Kommunen erfolgreiche Gegenmodelle. Statt mit den immer gleichen Konkurrenten um jedes Krankenhaus zu feilschen, wollte Fresenius-Chef Ulf Schneider mit einem Schlag dem alten Traum von Rhön-Gründer Eugen Münch sehr nahe kommen. Der hatte schon vor Jahren die Ziele eines Marktanteils von zehn Prozent und eines nahezu flächendeckenden Angebots ausgegeben, um sämtliche Kostenvorteile eines Klinikverbunds ausspielen zu können. Münch will nun bald einen neuen Anlauf nehmen, um den Krankenhausbetreiber an den Gesundheitskonzern Fresenius zu verkaufen. „Ich glaube, dass es ziemlich zügig eine Lösung geben wird“, sagte er am Montag. Münch, der auch Großaktionär und Aufsichtsratschef der Rhön-Klinikum AG ist, will das Gespräch mit Asklepios-Eigner Bernard Broermann suchen. Broermann habe in der heißen Phase des Übernahmeprozesses Gespräche abgelehnt und darauf verwiesen, dass diese rechtlich nicht zulässig seien, sagte Münch. „Er hat aber angekündigt, dass man in Anschluss reden kann.“
Die Rhön-Aktie, die nach dem Platzen des Deals am Montag zunächst um über 15 Prozent eingebrochen war, erholte sich und lag am Nachmittag nur noch rund acht Prozent im Minus. Münch zeigte sich zuversichtlich, dass sich alle Beteiligten in Gesprächen über die Neuordnung des deutschen Klinikmarktes auf eine Konstruktion einigen können, mit der auch Asklepios-Eigner Broermann zufrieden ist. „An meiner Analyse, dass die Konsolidierung kommen muss, hat sich nichts geändert“, betonte der 67-Jährige. Er machte zudem deutlich, dass er keinen Zusammenschluss mit Asklepios oder dem vierten große privaten deutschen Anbieter Sana auslotet, sondern weiter an Fresenius verkaufen will. In dieser Kombination seien am schnellsten Fortschritte zu erzielen. Münch hatte den Deal mit Fresenius-Chef Ulf Schneider eingefädelt. Ein neues Übernahmeangebot innerhalb der nächsten zwölf Monate wäre nur erlaubt, wenn die Finanzaufsicht BaFin und der Rhön-Vorstand zustimmen. Mit der Übernahme von Rhön wäre Fresenius-Helios bei einem Gesamtmarkt von gut 74 Milliarden Euro ein Branchenriese mit rund sechs Milliarden Euro Umsatz geworden, der sämtliche Konkurrenten hinter sich gelassen hätte.
Auf die Größe kommt es im politisch meist heißen Kampf um weitere Übernahmekandidaten durchaus an, sagt Krankenhaus-Experte Hartmut Schmidt von HPS Research. „Politiker neigen dazu, dem Marktführer den Zuschlag zu geben.“ Widerstand kommt meist von Gewerkschaften, die um die Arbeitsbedingungen der Belegschaft fürchten. Und auch beim Betriebsrat der Rhön-Klinikum AG zeigte man sich am Montag erleichtert: „Nach der Ungewissheit in den vergangenen Wochen sei die Situation jetzt erst einmal stabil“, sagte Bad Neustadts Betriebsratsvorsitzender Helmut Bühner. In der Konzernzentrale sei man froh, dass erst mal alles bleibt, wie es ist. Dort hatten die Mitarbeiter Sorgen um ihren Arbeitsplatz, denn wäre die Übernahme geglückt, wäre der Hauptsitz des neuen Unternehmens in Berlin gewesen. Fragt man die Patienten, sind sie gar nicht so unzufrieden mit den privaten Kliniken, wie die Deutsche Gesellschaft für Qualität herausfand. 37 Prozent der Befragten fanden die ärztliche und pflegerische Versorgung in privaten Krankenhäusern besser, nur 16 Prozent gaben den Öffentlichen den Vorzug. Dennoch befürworteten nur 13 Prozent Klinik-Privatisierungen, 40 Prozent waren dagegen. In den kommenden Jahren gibt es einen großen Kuchen zu verteilen, die Branche wächst wegen der demografischen Entwicklung ungebrochen. Auf 14 Milliarden Euro schätzt das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung zudem den bundesweiten Investitionsstau an den Krankenhäusern. Bis zum Jahr 2020 würden ohne Gegenmaßnahmen etwa zehn Prozent von derzeit rund 2000 deutschen Kliniken schließen. Besonders schwierig wird es für kleine Häuser in kommunaler Trägerschaft.
Das Platzen der Rhön-Übernahme bedeutet auch für zahlreiche Hedgefonds eine Schlappe. Bekannte Investoren wie John Paulson, der mit seinen Wetten gegen US-Ramsch-Hypotheken Milliarden verdiente, waren bei Rhön eingestiegen und wollten die Aktien mit Gewinn an Fresenius weiterreichen. Der Kurs-Einbruch der letzten Tage dürfte ihnen deutliche Verluste eingebrockt haben. „Viele Investoren haben viel Geld verloren“, sagte ein Hedgefonds-Manager. Mehrere von ihnen erwägten nun Klagen gegen Broerman – wegen Marktmanipulation.