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BRÜSSEL
Keine Ruhe im Fahrerhaus
KINA - Leben und arbeiten auf Rädern       -  Abgestellte Lastwagen stehen an einer Raststätte. Die Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf Europas Straßen beschäftigen das EU-Parlament. Die Arbeit für sie soll in Europa künftig besser werden.Arnulf Stoffel, dpa
Foto: Foto: | Abgestellte Lastwagen stehen an einer Raststätte. Die Arbeitsbedingungen der rund zwei Millionen Fernfahrer auf Europas Straßen beschäftigen das EU-Parlament.
Bearbeitet von Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 21.04.2019 02:12 Uhr

Der Lkw darf nicht länger das Zuhause für viele Fernfahrer sein. Nach jahrelangen Beratungen hat das Europäische Parlament am Donnerstag ein neues Regelwerk für bessere Arbeitsbedingungen von Truckern beschlossen. Selten war ein Kompromiss so schwierig. Zeitweise mussten die Abgeordneten sich durch über 1000 Änderungsanträge wühlen. Parlamentspräsident Antonio Tajani zweifelte noch vor Wochen, ob eine klare und überschaubare Abstimmung überhaupt möglich sein würde. Doch nun steht fest: Lkw-Fahrer dürfen nicht mehr monatelang quer durch Europa unterwegs sein, sondern sollen mindestens alle vier Wochen wieder nach Hause zurückkehren dürfen. Außerdem muss ihnen eine wöchentliche Ruhezeit von wenigstens 45 Stunden eingeräumt werden, die sie nicht in ihrem Führerhaus verbringen. Beim Mindestlohn gab es dagegen nur eine schwache Übereinkunft. Die gesetzliche Untergrenze bei den Einkommen wird nämlich außer Kraft gesetzt, wenn ein Lkw-Lenker zwischen zwei Ländern unterwegs ist.

Protest von Spediteuren

Sobald ein Fahrer aber einen Transport innerhalb eines anderen EU-Landes übernimmt, gilt für ihn der dort vorgeschriebene Mindestlohn des Aufenthaltsstaates. Solche sogenannte Kabotage-Fahrten werden darüber hinaus an strenge Auflagen gebunden: Nach drei Tagen muss das Fahrzeug ins Heimatland zurückkehren. Außerdem gelten diese Vorschriften nicht nur für schwere Lkw, sondern bereits für Transporter ab 2,4 Tonnen. Diese Regelung war besonders umstritten, weil vor allem Logistik- und Speditionsunternehmen aus Bulgarien und Rumänien scharf protestiert hatten. Sie befürchten, künftig nicht mit der Konkurrenz im Westen mithalten zu können. Die anderen Staaten hatten wiederum versucht, sich gegen die Wettbewerber aus den Ost-Staaten zu wehren, weil deren Fahrer häufig schlechter bezahlt werden und so alle Versuche einer gerechten Entlohnung unterlaufen hatten.

Während der EU-Parlamentarier Dieter-Lebrecht Koch (CDU) das Gesamtpaket als wichtigen Schritt für mehr fairen Wettbewerb und bessere Arbeitsbedingungen bezeichnete, sagte der Grünen-Verhandlungsführer im EU-Parlament, Terry Reintke, der Grundsatz „gleiches Recht und gleicher Lohn für gleich Arbeit“ werde nicht durchgehalten.

Ende des Nomadentums

Es drohe nun weiter „ein Wettrennen um die niedrigsten Standards“. Der SPD-Verkehrsexperte Ismail Ertug meinte dagegen, „alle seriös arbeitenden Unternehmen profitierten von den neuen Regeln“. Das „Nomadentum auf Europas Straßen“ werde beendet. Die Gewerkschaften äußerten sich skeptisch. Ver.di-Vizechefin Andrea Kocsis verlangte Nachbesserungen: „Die Möglichkeiten des Sozialdumpings werden durch die Entscheidung eingedämmt, aber nicht gänzlich beendet.“

Verbesserung erst in zwei Jahren

Die Trucker müssen allerdings warten. Denn die Entscheidung des Europäischen Parlaments bedarf noch der Zustimmung im zuständigen Ministerrat der Mitgliedstaaten. Und dort, so befürchteten gestern Vertreter vieler Fraktionen, werde „das ganze Paket noch einmal neu aufgeschnürt“, so dass mit einer wirklich durchgreifenden Verbesserung für die Lkw-Fahrer wohl erst in frühestens zwei Jahren zu rechnen sei.

 
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