Schlechte Karten für Menschen mit einem 450-Euro-Job: Muss ein Unternehmer zum Beispiel wegen eines von den Behörden angeordneten Corona-Lockdowns schließen, haben die Minijobberinnen und -jobber für diese Zeit keinen Anspruch auf Lohn. Das entschied das Bundesarbeitsgericht am Mittwoch in Erfurt (5 AZR 211/21).
Es handelte sich um den ersten Corona-Streitfall, der beim Bundesarbeitsgericht verhandelt wurde. Ein Thema mit Tragweite: Allein in Mainfranken gibt es laut Agentur für Arbeit 90 000 Menschen, die eine Arbeit auf 450-Euro-Basis haben. In Deutschland sind es sechs Millionen.
Reaktion aus Unterfranken auf das Minijob-Urteil
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts "ist keine Überraschung", sagte Unterfrankens DGB-Geschäftsführer Frank Firsching auf Anfrage – mit spürbarer Enttäuschung. Denn die Lage der Minijobber sei "überall bescheiden". Der Gewerkschafter aus Schweinfurt kritisiert, dass diese Beschäftigten die großen Verlierer der Pandemie seien, weil "sie komplett leer ausgingen". Staatliche Unterstützung wie etwa Kurzarbeitergeld sei ihnen versagt geblieben.
Das Bundesarbeitsgericht kam am Mittwoch zu der Entscheidung, dass Geschäftsschließungen per Corona-Verordnung zur Eindämmung der Pandemie nicht zum allgemeinen Betriebsrisiko für Unternehmer gehören. Diese hätten damit auch nicht das Risiko für den Arbeitsausfall von Menschen mit Minijob zu tragen.
Weshalb eine Minijobberin geklagt hatte
Bei der Klage ging es um den Anspruch einer als Verkäuferin eingesetzten Minijobberin aus Bremen auf Bezahlung während einer von den Behörden angeordneten Filialschließung im April 2020. Die Frau argumentierte, die Schließung des Geschäfts für Nähmaschinen und Zubehör während der Pandemie gehöre zum Betriebsrisiko, das der Arbeitgeber tragen müsse, und verlangte ihr Entgelt.
Die Vorinstanzen in Niedersachsen hatten ihrer Klage stattgegeben. Das Bundesarbeitsgericht hob deren Entscheidung jedoch auf. Der Nähmaschinenhändler muss das strittige Entgelt von 432 Euro für einen Monat damit nicht zahlen.
Für den Gewerkschafter Firsching zeigt das, dass der soziale Schutz von Menschen mit Minijob weiterhin außen vor bleibe. "Mit denen wird umgegangen wie in Betrieben vor 100 Jahren". Deshalb fordere der Deutsche Gewerkschaftsbund nach wie vor eine Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro Lohn.
Menschen mit einem Minijob haben höchstens 450 Euro Entgelt im Monat oder einen Arbeitseinsatz von maximal 70 Tagen pro Kalenderjahr. Sie zahlen keine Beiträge zu den Sozialversicherungen.
Vor diesem Hintergrund war schon vor einigen Monaten eine Debatte um die Zukunft der laut Amtsdeutsch "geringfügigen Beschäftigung" entstanden. Neben dem fehlenden Kündigungsschutz wird auch die drohende Altersarmut als Gefahr angesehen.
Grundsätzliche Kritik kam im Juli von Kreisgeschäftsführerin Christiane Straub vom Sozialverband VdK in Würzburg: Dass es überhaupt Minijobs gebe, sei ein Zeichen dafür, dass in der Gesellschaft etwas nicht stimme.
Dass diese Jobs wieder abgeschafft werden, glaubt DGB-Funktionär Firsching nicht. "Ich habe das gegenteilige Gefühl." Die aktuelle Politik lasse eher noch mehr Zeichen von Neoliberalismus mit immer weniger Schutzregelungen durch den Staat erkennen.
Das Bittere für Firsching: Unter den 100 000 Mitgliedern der DGB-Gewerkschaften in Unterfranken "finden sich kaum Minijobberinnen und Minijobber". Denn im Gegensatz etwa zu den Belegschaften von Industriebetrieben "tun sich diese Leute schwer, sich zu organisieren". Das schwäche ihre Position weiter. Ein ähnlicher Streitfall wie jener mit der Verkäuferin aus Bremen sei in Unterfranken nicht bekannt.
(Mit Informationen von dpa).