
Über eine Steuer auf Finanzmarktgeschäfte wird seit Jahrzehnten weltweit diskutiert – längst nicht mehr nur von Globalisierungsgegnern. Eine EU- oder weltweite Regelung scheiterte aber bisher. Auch die Koalition ringt seit langem um eine gemeinsame Linie. Weil das Regierungslager die Zustimmung von SPD und Grünen zum Fiskalpakt benötigt, haben sich Schwarz-Gelb und Opposition nun auf Eckpunkte für eine Finanzsteuer verständigt.
Zunächst nur auf Eckwerte. Zunächst will sich die Bundesregierung weiter für eine Einigung aller 27 EU-Staaten auf eine Finanztransaktionssteuer auf Basis des Kommissionsvorschlages einsetzen. Sollte dies wie erwartet noch im Juni scheitern, will Berlin Verbündete suchen und mit „möglichst vielen“, mindestens aber neun EU-Staaten eine Lösung ausloten.
Das müssen Union, FDP sowie SPD und Grüne aushandeln. Bisher heißt es, eine Steuer sollte „möglichst alle Finanzinstrumente umfassen“. Angedacht sind Steuersätze von 0,1 und 0,01 Prozent je Transaktionsteilnehmer. Nachteile für die Altersversorgung, Kleinsparer und die Wirtschaft sollen vermieden werden. Es sollen „unerwünschte Formen von Finanzgeschäften“ zurückgedrängt werden.
Die Idee einer „Finanztransaktionssteuer“ geht auf den US-Ökonomen James Tobin zurück. Der Wirtschaftswissenschaftler brachte 1972 eine Steuer auf alle grenzüberschreitenden Devisenspekulationen ins Spiel. Er schlug eine Abgabe von einem Prozent vor. Die Idee der „Tobin-Tax“ war auch einer der zentralen Gedanken bei der Gründung des Netzwerks „Attac“: Die französische Abkürzung für „Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen im Interesse der Bürger“.
Im Zuge der Krise, die auf die Pleite der US-Großbank Lehman Brothers im September 2008 folgte, flammte die Debatte über eine Beteiligung des Finanzsektors an den Kosten wieder auf. Die Finanzindustrie wurde allein von EU-Staaten mit 4,6 Billionen Euro an Steuergeldern vor allem in Form von Garantien gestützt. Mit der einseitigen Belastung der Steuerzahler soll Schluss sein. Spekulationen sollen erschwert, der superschnelle Computerhandel eingedämmt werden. Im Herbst hat die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt.
Die Finanztransaktionssteuer könnte ab 2014 in allen 27 EU-Staaten greifen. Aktien und Anleihen in der EU sollen mit einem Mindestsatz von 0,1 Prozent belegt werden, Derivate mit 0,01 Prozent. Bankkunden könnten die Steuer zu spüren bekommen, wenn Institute die Kosten abwälzen.
Die Steuer, wie sie die EU-Kommission vorschlägt, würde jährlich etwa 57 Milliarden Euro bringen.
Eine Einigung aller 27 EU-Staaten oder der 17 Euro-Länder ist unwahrscheinlich. Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien sagen Nein. Premier David Cameron bekräftigte beim Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel in dieser Woche seine Absage – zum Schutz des Finanzplatzes London.
Einen nationalen Alleingang – wie ihn Paris beschlossen hat – lehnt die schwarz-gelbe Koalition ab. In Frankreich soll zum 1. August eine Transaktionssteuer eingeführt werden, die sich auf den Kauf von Aktien von großen Unternehmen mit Sitz in Frankreich bezieht. Auch sollen hochspekulative Börsengeschäfte eingedämmt werden.