Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren gegen die fünf führenden deutschen Ölkonzerne eingeleitet. Doch die Autofahrer können kaum auf sinkende Preise hoffen.
Nein, das Bundeskartellamt ist keine Behörde zur Preisüberwachung. Es kümmert sich um Wettbewerb und Marktstrukturen. Das Verfahren hat auch nichts mit den aktuellen Benzinpreisen zu tun, sondern es geht um Fälle aus dem vergangenen Jahr. Nach Überzeugung des Kartellamtes wird der Mineralölmarkt in Deutschland von den fünf Konzernen BP/Aral, ExxonMobil, ConocoPhillips (Jet), Shell und Total beherrscht. Durch das Oligopol der fünf Unternehmen sei die Marktstruktur wettbewerbsfeindlich. Laut Kartellamt wären bei funktionierendem Wettbewerb die Preise niedriger. Die Konzerne bestreiten das.
Sie sollen Treibstoff aus Raffinerien an freie Tankstellen teurer verkauft haben, als sie selbst von ihren Endkunden an der Tankstelle verlangt haben. Also sollen sie den Sprit zu billig an den Endkunden beziehungsweise zu teuer an die freie Tankstelle verkauft haben. Mit einem solchen Verhalten können starke Unternehmen schwächere Marktteilnehmer aus dem Markt drängen. Es ist deshalb nach Paragraf 20, Absatz 4.3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verboten.
Sie halten den Vorwurf für „nicht nachvollziehbar“. Aral und Shell haben computerbasierte Kontrollsysteme installiert, um den Verkaufspreis an den Tankstellen nicht unter die Abgabepreise der Raffinerien sinken zu lassen. Bei den hektischen Preisbewegungen von bis zu 13 Cent am Tag könnte es sonst leicht passieren, dass Sprit an der Tankstelle billiger ist als bei der Raffinerie. Die Bruttomarge der Tankstellen, aus der alle Kosten zu decken sind, beträgt rund elf Cent.
Das Kartellamt beobachtet die Mineralölwirtschaft bereits seit Jahrzehnten und hat gerade erst im vergangenen Jahr den Sektor der Tankstellen intensiv untersucht. Dabei ist herausgekommen, dass die Branche sich zwar gleichgerichtet verhält, aber nicht abspricht. Damit verstößt sie nicht gegen ein Gesetz. Die Unternehmen verstehen sich quasi blind und beobachten sich gegenseitig intensiv. Wenn eines der beiden marktführenden Unternehmen Aral oder Shell die Preise heraufsetzt, folgen alle anderen in kurzen Abständen nach. Es geht dann allerdings auch sofort wieder abwärts. Die Preisabteilung von Aral mit 2400 Stationen erhält zum Beispiel täglich 5000 Anträge auf Preissenkungen von ihren Pächtern und Markenpartnern.
Wenig. Es kann nur Bußgelder verhängen, wenn Unternehmen gegen Gesetze verstoßen. Dafür gibt es keine Belege. Hohe Preise sind kein Gesetzesverstoß; jedes Unternehmen darf frei entscheiden, wie viel es für seine Waren verlangt, so lange es sich an die Gesetze hält. An der Marktstruktur kann das Amt ebenfalls nichts ändern. Eine Zerschlagung des Oligopols, wie sie auch schon gefordert wurde, ist gesetzlich nicht möglich. An den Strukturen ist das Amt nicht ganz unschuldig, weil es vor elf Jahren die Übernahme von Aral durch BP und der RWE-Dea-Tankstellen durch Shell mit geringen Auflagen genehmigte. So erreichten Aral und Shell ihre dominierende Position.
Konkret beschlossen wurde vergangene Woche vom Bundeskabinett eine Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Damit wurde die bislang bis Ende 2012 befristete Regelung zum Schutz der freien Tankstellen verankert, also dass sie von den Konzernen beim Spritkauf nicht benachteiligt werden. Zudem soll eine Markttransparenzstelle beim Kartellamt die Preise stärker beobachten und bei möglichen Absprachen einschreiten.
Es ist weitgehender Konsens, dass dies kaum etwas an der aktuellen Situation ändern wird, da die Preise vor allem den Ölpreisen folgen, auch wenn auffällt, dass die Konzerne bisweilen mehr draufschlagen als nötig. Das Bundeskartellamt will nun das westaustralische Modell genau prüfen, womöglich soll es nur für die marktbeherrschenden Mineralölkonzerne BP/Aral, Esso, Jet, Shell und Total gelten. Sie müssten dann bis 14 Uhr einen Festpreis für den Folgetag melden, die freien Tankstellen könnten diesen dann unterbieten und so für mehr Wettbewerb an der Zapfsäule sorgen. Ob eine solche Benachteiligung der Konzerne aber rechtens wäre, steht auf einem anderen Papier.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) wollen trotz des Drucks aus Reihen der eigenen Partei und der FDP nicht mehr als die 30 Cent je Kilometer zahlen. Ohnehin ist es keine Spritpauschale, sondern die steuerliche Entlastung wird unabhängig vom Verkehrsmittel gewährt. Bisher kostet die Pauschale den Bund 4,4 Milliarden Euro pro Jahr, bei zehn Cent mehr wären es rund sechs Milliarden Euro. Angesichts des Spardrucks gibt es hier wenig Spielraum, auch wenn der Staat rund zwei Milliarden Euro Mehreinnahmen durch die hohen Preise hat.
Spritsparender fahren, Preise genau vergleichen oder das Auto öfter stehen lassen. „Statt Geld aus der Staatskasse zu nehmen, um den Pendlern ein Wahlkampfgeschenk zu machen, sollten wir lieber auf sparsame Autos umsteigen“, schlägt die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus vor. Die Erhöhung um zehn Cent würde einer Pendlerin mit einem Gehalt von 30 000 Euro und einem Arbeitsweg von 40 Kilometern 275 Euro pro Jahr mehr bringen. Wer bei einem Spritpreis von 1,50 Euro auf ein Auto, das zwei Liter weniger verbraucht, umsteigt, würde hingegen 552 Euro sparen. Bei dem aktuellen Preis von 1,70 Euro je Liter Super könnte die Ersparnis sogar bei 625 Euro liegen, so Paus.
Preis für E10 sinkt
Die führenden deutschen Mineralölkonzerne haben den Preisabstand zwischen der Benzinsorte E10 und dem meistgetankten Kraftstoff Super E5 von drei auf vier Cent je Liter ausgeweitet. Shell und Aral begründeten diesen Schritt mit der unterschiedlichen Preisentwicklung von Benzin aus Öl und den beigemischten Bio-Komponenten.
Mineralisches Benzin habe sich sehr stark verteuert und werde auf dem europäischen Großmarkt für Ölprodukte in Rotterdam zu Rekordpreisen gehandelt. Das beigemischte Ethanol sei nicht in gleichem Maße teurer geworden. Daher werde der Preis für E10 um einen Cent gesenkt. Das schaffe für den Autofahrer einen zusätzlichen Anreiz, E10 zu tanken. Die Benzinsorte mit zehn Prozent Ethanol ist seit Anfang vergangenen Jahres auf dem Markt, weil die Bundesregierung den Anteil von Bio-Kraftstoffen aus Pflanzen steigern will.
Die Autofahrer haben den Sprit bislang nur schlecht akzeptiert; die flächendeckende Einführung stockte vorübergehend und wurde erst mit monatelanger Verzögerung umgesetzt. Bei Shell tankt jeder fünfte Kunde E10.
Der Absatzanteil in Deutschland liegt insgesamt unter 20 Prozent und steigt nur langsam. Schäden für den Motor sind nach Aussagen des ADAC bei den meisten Autos nicht zu befürchten, aber E10 ist auch aus umweltpolitischen Gründen umstritten. Foto/text: dpa