Siemens-Chef Joe Kaeser schneidet tiefer und tiefer. Zum wiederholten Mal in seiner Amtszeit verkündet er massive Stellenstreichungen, nun in der Stromerzeugungssparte und in schwächelnden Geschäften. Mit dem radikalen Konzernumbau will Kaeser damit weitgehend durch sein. Das heißt: Die Karte Einsparungen hat er ausgereizt. Aber wird das ausreichen, um den Elektrokonzern wieder auf Trab zu bringen?
Kaeser steht zunehmend unter Druck: Schon länger hinkt der Elektrokonzern in Sachen Rentabilität Wettbewerbern wie dem US-Erzrivalen General Electric hinterher. Der verbuchte zuletzt zwar Milliardenverluste wegen des Verkaufs seiner Finanzsparte - doch Siemens belasten immer wieder Probleme im Kerngeschäft. Anleger fordern deshalb mehr Tempo bei der Neuordnung.
Sorgen bereitet gerade das Energiegeschäft, das im abgelaufenen Quartal einen herben Gewinnrückgang verbuchen musste. Dort setzt Kaeser erneut den Rotstift an: Etwa ein Drittel der weltweit 4500 Jobs, die zusätzlich zu den bereits bekannten Plänen wegfallen sollen, werden in der Stromerzeugungs-Sparte gekappt. Der Rest entfällt auf ertragsschwache Sparten, die Kaeser möglichst in Eigenregie sanieren will. Siemens soll produktiver werden.
Denn beim Blick auf die Konkurrenz fällt auf: General Electric fährt gemessen an der Belegschaft viel mehr Umsatz ein. Während Siemens im vergangenen Geschäftsjahr rechnerisch auf knapp 210 000 Euro pro Mitarbeiter kam, waren es beim US-Konzern fast 420 000 US-Dollar. Mit dem Wechselkurs vom 31. Dezember, dem Stichtag des GE-Geschäftsjahrs, sind das über 345 000 Euro Umsatz - fast zwei Drittel mehr als bei Siemens. Dabei fehlt die Finanzsparte GE Capital, in der pro Mitarbeiter noch höhere Erlöse anfallen. Die Probleme im Energiegeschäft entstehen vor allem in der Stromerzeugungs-Sparte: Die Nachfrage nach großen Gasturbinen in Deutschland und Europa liegt am Boden, das sorgt für Preisverfall und Überkapazitäten. Bereits auf der Hauptversammlung Ende Januar machte Kaeser seinem Ärger darüber Luft, dass die Zeichen der Zeit im eigenen Konzern verkannt wurden. Seit Mitte März soll es Willi Meixner als neuer Spartenchef richten. Potenzial könnte er in den USA finden. Die Vereinigten Staaten wollen laut Kaeser in den nächsten Jahren satte 250 Gigawatt Kapazität für die Stromerzeugung aus Gas aufbauen. Das ist laut Bundesnetzagentur mehr Kapazität als in Deutschland quer durch alle Erzeugungsarten installiert ist, nämlich knapp 200 Gigawatt. Spar- und Umbauprogramme gehören für die 342 000 Siemensianer fast zum Tagesgeschäft – da geht schnell der Überblick verloren: Unter Kaeser-Vorgänger Peter Löscher fielen rund 17 000 Jobs weg. Einem weiteren noch von Löscher auf den Weg gebrachten Sparprogramm, dessen Auswirkungen Kaeser kurz nach Amtsantritt bezifferte, fielen zudem 15 000 Jobs zum Opfer. Nun stehen durch den Konzernumbau und die Anpassungen in den schwächelnden Geschäftsfeldern nochmals über 13 000 Stellen auf der Streichliste. In Summe sind das über 45 000 Jobs – allerdings streicht Siemens nicht nur, sondern baut auch neue Stellen auf.
Doch bei Arbeitnehmervertretern sorgt der Abbau für Ärger. Die IG Metall kündigte bundesweite Aktionstage an und will Widerstand gegen die Pläne organisieren. „Das Management dreht bei akuten oder strukturellen Problemen reflexartig an der Schraube der Personalkosten“, hieß es. Dabei müssten langfristig tragfähige Lösungen entwickelt werden.
Auf den Tag vor einem Jahr hatte Kaeser die größte Neuordnung seit mehr als zwei Jahrzehnten auf den Weg gebracht: Die Sektoren-Einteilung wurde aufgehoben, Divisionen zusammengelegt, der Anteil am Hausgeräte-Hersteller BSH an den Partner Bosch abgegeben, die Hörgerätesparte verkauft, und die Medizintechnik zur eigenständigen Tochter gemacht. Kaeser zeigt sich mit der Umsetzung zufrieden: „Es mag dem einen oder anderen langsam vorkommen, aber ich kenne kein anderes Unternehmen, das so eine Transformation in so einer kurzen Zeit bewältigt hat“, sagt der Konzernchef.