Jedes Verhalten, das anderen schadet, wird sich früher oder später rächen. Davon ist Hanne Demel überzeugt. Als Coach hat die 53-Jährige aus Zell (Lkr. Würzburg) schon oft erfahren, wie schädlich sich unethisches Verhalten im Unternehmen auswirken kann. Aus diesen Erlebnissen heraus rief sie im Herbst vergangenen Jahres einen wirtschaftsethischen Stammtisch ins Leben. Der findet einmal im Monat „live“ in Würzburg und einmal monatlich deutschlandweit in einem sogenannten Zoom-Room statt.
Mit Stefan Beck, der in Würzburg ein Pressebüro betreibt, fand Demel einen Mitstreiter. Im Besprechungsraum von Becks Firma finden die monatlichen Live-Treffen statt. Jeweils bis zu 15 Menschen im Alter zwischen 28 und 65 Jahren aus den verschiedensten Branchen nehmen daran teil.
Über Führung und Nachhaltigkeit sprechen
Hanne Demel moderiert die Stammtische, die immer unter einem bestimmten Thema stehen. Beim nächsten Treffen am 26. März wird es um die Frage gehen, was gute Führung ausmacht. Im April soll über Facetten des Modeworts „Nachhaltigkeit“ nachgedacht werden.
Sich im Geschäftsalltag ethisch zu verhalten, ist gar nicht so einfach, meint Stefan Beck. Wer auf „Anstand und Ehrlichkeit“ pocht, müsse mitunter unangenehme Konsequenzen ziehen. Er selbst, so der 47-jährige PR-Mann, habe sich schon von Kunden getrennt, weil sie ihn falsche Zahlen verbreiten lassen wollten. Das geht für ihn gar nicht. Ebenso wenig würde Beck Public Relation für ein Unternehmen machen, dass ein ethisch fragwürdiges Produkt herstellt: „Zum Beispiel Rüstung.“
Wie steht es mit der Unternehmenskultur?
An konkreten Beispielen zeigen die Teilnehmer des Stammtischs auf, in welchen ethischen Zwickmühlen sie mitunter stecken. Da war zum Beispiel die Unternehmerin, die eine zwar fachlich gute, allerdings persönlich schwierige Praktikantin aufgenommen hatte. Die junge Frau war verhaltensproblematisch. Sollte sie sie einfach wegschicken? Das wäre für die Jugendliche hart gewesen, hegte sie doch die Hoffnung, dass aus dem Praktikum eine Azubi-Anstellung wird. Beck: „Wir diskutierten lange, wie die Unternehmerin das Problem gut lösen könnte.“
Zu den regelmäßigen Teilnehmern am Ethik-Stammtisch gehört auch Thomas Schneider, Philosoph aus Willanzheim (Lkr. Kitzingen). Ähnlich wie Hanne Demel ist auch er davon überzeugt, dass es im Leben eine „ausgleichende Gerechtigkeit“ gibt. Sowohl als Philosoph als auch als Teilnehmer am Wirtschaftsleben interessiert ihn das Thema „Wirtschaftsethik“, meint er. „Mir geht es darum, welche Kultur ein Unternehmen lebt, aber auch, wie die Herstellungsbedingungen und Lieferketten der Produkte aussehen.“
Verantwortung für Mensch und Planet
Gesellschaftlich gewinnt die Thematik dem Philosophen zufolge an Brisanz. Dafür sorgen Berichte über Korruptionsaffären, Massenentlassungen trotz hoher Unternehmensgewinne und Umweltskandale. Auch erfahren immer mehr Menschen am eigenen Leib, wie verheerend sich schlechte Arbeitsbedingungen, etwa durch Leiharbeit, auf das ganze Leben auswirken.
Auch Stammtischteilnehmer Wolfgang Schmitt, der als Coach in Würzburg tätig ist, beobachtet eine wachsende Relevanz des Themas. Dies liegt nach seiner Einschätzung an der zunehmenden Komplexität, Schnelligkeit und Verdichtung in der Arbeitswelt. Dadurch würden immer mehr Menschen psychisch und physisch krank: „Als Coach, Berater und Dozent stehe ich mitten in diesem Thema.“ Schmitt bereitet überdies Sorgen, dass die Art und Weise unseres Wirtschaftens inzwischen einen 1,5-fachen ökologischen Fußabdruck erzeugt. Der Wachstumszwang mache nicht nur die Menschen, sondern auch den Planeten kaputt.
Das eigene Tun reflektieren
An der Stammtischgruppe begeistert Schmitt die „bunte Mischung“: „Wir sind Ältere und Jüngere, Frauen und Männer, Unternehmer und Berater.“ Es gebe kein festes Ziel: „Jeder kann frei berichten und die Blickwinkel der anderen erleben.“ Für ihn persönlich seien die Stammtische „Ethik-Wellness“.
Auch Stammtischteilnehmerin Dagmar Pfeuffer, Leiterin der Kita „Kinderkiste“ in Erlenbach bei Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) sieht die hohen Krankheits- und Ausfallraten aufgrund psychischer Erkrankungen als Alarmzeichen an. Ethisches Handeln im Betrieb fördert nach ihren Erfahrungen ein entspannteres Miteinander, verändert das Betriebsklima und beugt Burnout vor. Die Erzieherin und Elterntrainerin würde gerne noch mehr Menschen motivieren, über Wirtschaftsethik nachzudenken: „In einer profitorientierten Welt ist ein reflektiertes Schauen auf das eigene Handeln ständig neu notwendig.“
Zu den derzeit sieben Teilnehmern am Online-Ethik-Stammtisch gehört Tobias Scherf, der die Öffentlichkeitsarbeit des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen (LLH) leitet. In einer globalisierten, verdichteten Arbeitswelt braucht es nach Ansicht des Controllers mehr denn je den Blick auf Werte und ethisches Verhalten in der Wirtschaft. Für Scherf selbst besteht Wirtschaftsethik vor allem in „Klarheit und Achtsamkeit beim Handeln und Entscheiden“. Eine Maxime, die für jeden einzelnen Mitarbeiter sowie für das Unternehmen als Ganzes gelten sollte.
asd
Beim Ethik-Stammtisch tauschen sich die Teilnehmer einmal im Monat live und einmal im Monat online über ein bestimmtes Thema aus. Sie berichten von ihren Erfahrungen mit ethischen Fragen und helfen einander, ethische Grundsätze umzusetzen. Geplant ist, die Ergebnisse künftig in einem Blog zu veröffentlichen, so dass sich noch mehr Menschen mit wirtschaftsethischen Themen auseinandersetzen können.
Die Teilnahme am Live-Stammtisch kostet inklusive Catering 10 Euro, die Teilnahme am Online-Stammtisch ist kostenlos. Der nächste Live-Stammtisch findet am 26. März von 19 bis 20.30 Uhr bei Pressebeck (Friedrich-Bergius-Ring 15) statt. Am 21. März um 19 Uhr startet der nächste Online-Stammtisch im deutschlandweiten Zoom-Room. Anmeldung unter institut@hanne-demel.de (pat)