Christine Lagarde wandte am Donnerstag die Devise an, die noch immer funktionierte, seit sie sie als Synchronschwimmerin in jugendlichem Alter verinnerlicht hat: „Was auch kommt – Zähne zusammenbeißen und lächeln.“ Strahlend wie gewohnt erschien die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Paris zu einer richterlichen Befragung über ihre Rolle in der Finanzaffäre um umstrittene staatliche Entschädigungszahlungen an den Geschäftsmann Bernard Tapie. Er hatte 1993 die damals staatliche Bank Crédit Lyonnais mit dem Verkauf des deutschen Sportartikelherstellers Adidas beauftragt, die ihn übervorteilte, indem sie den Konzern über Offshore-Firmen teils selbst erwarb. Tapie verklagte daraufhin den Staat. Nach jahrelangen juristischen Auseinandersetzungen wurde schließlich ein privates Schiedsgericht eingesetzt.
Gerade frisch im Amt als französische Wirtschafts- und Finanzministerin, hatte Lagarde 2007 trotz Bedenken von Experten keinen Einspruch gegen dessen Entscheidung eingelegt, Tapie 285 Millionen Euro Schadenersatz – mit Zinsen sogar 403 Millionen Euro – zuzusprechen. Eine erstaunlich hohe Summe, die die Frage nach der Unterschlagung öffentlicher Gelder aufwarf, zumal Juristen die Legitimität des Schiedsgerichtes anzweifelten. Doch Lagarde argumentiert, dass dadurch ein jahrelanger, kostenintensiver Rechtsstreit endlich beendet wurde und sie selbst keinerlei persönlichen Vorteil hatte. Dennoch wurde Ende März ihre Wohnung durchsucht. Bereits seit August 2011 laufen Ermittlungen wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Fälschung und Beihilfe zur Veruntreuung öffentlicher Gelder.
Kurz zuvor hatte Lagarde die Führung des IWF in Washington übernommen. Nachdem ihr Vorgänger Dominique Strauss-Kahn wegen Vergewaltigungsvorwürfen zurücktreten musste, lastete auf ihr ein besonders großer Druck, ihren Job skandalfrei zu erledigen. Sie musste sogar Klauseln unterschreiben, mit denen sie zusicherte, „höchste ethische Standards“ zu beachten. Mit ihrem Ruf, charmant, durchsetzungsstark, integer und kompetent zu sein, herrschte daran auch keinen Zweifel.
Die 57-Jährige, die nach einer Karriere als Wirtschaftsanwältin als Quereinsteigerin in die Politik kam, genießt parteiübergreifend hohes Ansehen. Ihr sozialistischer Nachfolger im Finanzministerium, Pierre Moscovici, hat ihr das „Vertrauen der staatlichen Behörden“ zugesichert. Auch ihr IWF-Posten scheint nicht bedroht. Die Vorwürfe seien „nichts Neues unter der Sonne“, sagte sie, biss die Zähne zusammen und lächelte.