Die Sorge vor einem Absturz der Preise auf breiter Front hat Europas Währungshüter zu beispiellosen Schritten getrieben. Inzwischen hat sich die Lage etwas stabilisiert.
Noch sinken die Preise im Euroraum – aber der Rückgang hat sich zumindest abgeschwächt. Im Dezember war die Inflationsrate ins Minus gerutscht. Nach einem Rückgang der Verbraucherpreise um 0,6 Prozent im Januar und um 0,3 Prozent im Februar lag die Jahresteuerung im März aber nur noch bei minus 0,1 Prozent. In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im März nach dem Rückgang zum Jahresstart nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Mittwoch sogar um 0,3 Prozent.
Der Preisrutsch bei Rohöl seit dem vergangenen Sommer drückte die Preise für Heizöl und Kraftstoffe. Und weil die Ausgaben für Energie nach Mieten der größte Einzelposten im Haushaltsbudget der Deutschen sind, ließ das die Inflationsrate insgesamt sinken. Wie groß der Einfluss ist, belegen detaillierte Berechnungen des Bundesamtes für Februar 2015: Würden Nahrungsmittel und Energie nicht berücksichtigt, hätten die Verbraucherpreise in dem Monat um 1,0 Prozent über dem Vorjahresniveau gelegen. Einschließlich beider Posten ergab sich eine Rate von 0,1 Prozent. Zuletzt zogen die Ölpreise wieder etwas an.
Mit ihrer extrem lockeren Geldpolitik setzt die Europäische Zentralbank (EZB) den Euro unter Druck, der gegenüber dem Dollar kräftig abgewertet hat. Das hilft Europas Exporteuren, verteuert gleichzeitig aber Importe. Auch deshalb sinken etwa die Energiepreise in Europa langsamer als zuvor – denn Rohöl und Benzin werden international in Dollar gehandelt. An der Tankstelle macht sich das schon bemerkbar. Experten der Unicredit sind überzeugt, dass der schwächere Euro die Preise allgemein nach oben treiben wird.
Seit März flutet die Notenbank die Märkte mit Geld, um die Inflation nach oben zu treiben: 1,1 Billionen Euro wollen die Währungshüter bis September 2016 vor allem für Staatsanleihen ausgeben, pro Monat 60 Milliarden Euro. EZB-Präsident Mario Draghi betont: „Dies ist ein Schlüssel dafür, dass die Wirtschaft wieder voll in Schwung kommt und dass die Inflation nicht zu lange zu niedrig bleibt.“
Die EZB strebt mittelfristig ein Preisniveau bei Teuerungsraten von „unter, aber nahe bei“ 2,0 Prozent an. Diese Zielmarke für stabile Preise haben sich Währungshüter gesetzt, um zu starke Schwankungen in die eine wie in die andere Richtung zu vermeiden.
Aus Verbrauchersicht zunächst einmal gar nichts. Wenn Benzin, Heizöl oder Gemüse billiger werden, können sich Konsumenten mehr anderes leisten. Auch deshalb hat sich das Konsumklima in Europa im ersten Quartal 2015 deutlich verbessert und ist nun nach Angaben des Marktforschungsunternehmens GfK so gut wie zuletzt vor sieben Jahren. Für die Konjunktur kann ein allgemeiner Preisrückgang aber gefährlich sein. Denn das könnte dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen in Erwartung weiterer Preissenkungen aufschieben und die Wirtschaft erlahmt. Die Währungshüter wollen mit ihrer lockeren Geldpolitik verhindern, dass die Eurozone in eine Deflation rutscht, also einen anhaltenden Preisrückgang quer durch die Warengruppen.
Kritiker wie EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger warnen: „Bei niedrigen Zinsen steigt die Gefahr von zu riskantem Anlageverhalten, es können sich leicht Überhitzungen oder Preisblasen (...) bilden.“ Zudem verzerrt die Geldflut der Zentralbank die üblichen Prozesse von Angebot und Nachfrage an Anleihemärkten. Ein Großteil des Geldes landet letztlich an den Börsen. Die DZ Bank kommentiert: „Die EZB verstärkt den Aufwärtstrend an den Aktienmärkten in beispiellosem Maße und erhöht die Fallhöhe für die Zeit danach.“
EZB hält Zinsen niedrig
Tief: Der Leitzins in der Eurozone bleibt unverändert. Bereits zum sechsten Mal hintereinander beließ die Europäische Zentralbank (EZB) den Zins am Mittwoch auf dem historischen Tief von 0,05 Prozent. Im Kampf gegen die niedrige Inflation in der Eurozone hatten die Währungshüter den zentralen Zinssatz, zu dem sich Banken bei der EZB mit Geld versorgen, im September auf das Rekordtief gesenkt. Auch die beiden anderen Zinssätze beließ die EZB auf ihrem bisherigen Niveau. Kreditinstitute, die ihr Geld lieber kurzfristig bei der Notenbank parken, anstatt es an Unternehmen zu verleihen, müssen weiter einen Strafzins von 0,2 Prozent bezahlen. Der dritte Zinssatz für die sogenannte Spitzenfinanzierungsfaziliät bleibt bei 0,30 Prozent. Text: dpa