zurück
HERZOGENAURACH
Interview mit Jürgen Geißinger aus dem Jahr 2001
Redaktion
 |  aktualisiert: 04.10.2013 16:11 Uhr
Oktober 2001: Gelingt die Übernahme der Schweinfurter FAG Kugelfischer AG durch die Herzogenauracher INA-Gruppe, entsteht der zweitgrößte Wälzlagerhersteller der Welt. Ein schweigsamer Riese, befürchten einige: mächtig, aber sehr scheu. INA-Chef Jürgen M. Geißinger spricht im MAIN-POST-Interview über Größe, Öffentlichkeit - und das Duell mit FAG-Vorstandschef Uwe Loos.

Die Übernahme von Mannesmann durch Vodafone wurde am Ende zum Duell zweier Manager: Chris Gent gegen Klaus Esser. Erleben wir jetzt das Duell Geißinger gegen Loos?
Geißinger: Ich will unser Vorhaben nicht mit der Übernahme von Mannesmann durch Vodafone vergleichen. Persönliche Dinge zwischen den Managern spielen keine Rolle, es geht um die vernünftigste Lösung. Es liegt mir auch fern, mit der Übernahme von FAG irgendwelche Zeichen setzen zu wollen. Unsere Pläne resultieren aus der Erkenntnis, dass sich beide Unternehmen hervorragend ergänzen. Sie haben die Möglichkeit, aus einer soliden Technologie heraus gemeinsam zu wachsen. In Schweinfurt will man das offenbar nicht erkennen. Aber es ist kein Duell. Bei Mannesmann und Vodafone standen sich zwei Aktiengesellschaften gegenüber, in unserem Fall ist mit INA ein Familienunternehmen beteiligt. Ich kann da gar keinen Alleingang machen. Sämtliche Schritte sind mit der Familie Schaeffler abgestimmt.

Mannesmann gegen Vodafone wurde ja auch dadurch zum Duell, dass einer der beiden Chefs gehen musste, nämlich Esser. Ähnlich könnte es ja auch FAG- Chef Loos treffen.
Geißinger: Es geht in diese Richtung, das war aber nicht unsere Intention. Ich dachte, wir könnten die Integration beider Unternehmen gemeinsam vorantreiben. Natürlich liegt die Führung eines vereinten Unternehmens bei uns. Es wird aber auch eine FAG-Führung geben, so wie es eine Luk-Führung gibt und eine Rege-Führung (beide von INA übernommen; Anmerkung d. Red.), überall werden ja unternehmerische Ziele verfolgt. Wir wollen unverändert das FAG-Management an Bord haben. Wenn ich jetzt allerdings beobachte, wie sich Herr Loos gegen die Verbindung mit der INA wehrt, kann ich mir immer weniger vorstellen, dass er an einer Zusammenarbeit interessiert ist.

INA ist das größte deutsche Industrieunternehmen im Familienbesitz. Wenn ihre Übernahmepläne gelingen, stehen Sie bald an der Spitze des zweitgrößten Wälzlagerherstellers der Welt. Wie wichtig ist Größe für Sie?
Geißinger: Größe spielt eine untergeordnete Rolle, sie allein bedeutet ja noch keinen unternehmerischen Erfolg. INA ist über die Technologie gewachsen, über das Know-how und über die Entwicklung neuer Produkte. Daraus ist unsere heutige Größe entstanden, Größe in einer wachsenden Technologie und einer breiteren Kompetenz. Darin sehe ich auch die Stärke in einem vereinten Unternehmen FAG und INA. Es kommt Kompetenz zusammen, die uns weiteres Wachstum in den verschiedensten Branchen beschert. Größe macht träge, sie bindet Management-Kapazitäten und fördert Bürokratie. Porsche-Chef Wiedeking hat einmal gesagt: Wäre Größe das entscheidende Kriterium, müssten die Dinosaurier heute noch leben.

Haben Sie keine Angst davor, zu einem solchen Industrie-Saurier zu werden?
Geißinger: Man muss eben wissen, wie man Größe handhabt. Größe bedeutet nicht gezwungenermaßen mehr Bürokratie. Bei INA gibt es sehr flache Hierarchien, wir entscheiden viel dezentral und sind sehr schnell. Allerdings verfügen wir auch über ein gut funktionierendes Controlling, mit dem wir ermitteln können, wo im Unternehmen welche Leistung erbracht wird. Entscheidend ist die Form der direkten internen Kommunikation zwischen den Fachleuten. Wenn wir uns im täglichen Ablauf gut verstehen, können wir auf zusätzliche Hierarchien verzichten. Viele Anleger haben das Vertrauen in die Finanzmärkte verloren. Die Deutsche Börse meint: Es liegt an der fehlenden Transparenz der Unternehmen und verlangt die Veröffentlichung von Quartalsberichten. INA geht einen ganz anderen Weg, sie verschweigen wichtige Kennzahlen.

Warum?
Geißinger: Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Als Familienunternehmen brauchen wir das nicht. Aber es ist mehr. Für INA steht der Nutzen im Vordergrund, den wir unseren Kunden bieten können, nicht irgendwelche Zahlen. Und wenn wir ehrlich sind: Die Transparenz von börsennotierten Gesellschaften ist doch nicht die Transparenz, die sich Anleger wirklich wünschen. Da wird viel Akrobatik betrieben, damit schlechte Zahlen für die Finanzmärkte so aussehen, als wenn das Unternehmen tatsächlich Erfolg hätte. Denken Sie an die verschiedene Methoden der Bilanzierung, die dazu führen, dass Ergebnisse unterschiedlich dargestellt werden. Das alles verwirrt Anleger mehr, als das es Klarheit schafft.

Sie wollen sich von Analysten nicht reinreden lassen.
Geißinger: Ja, auch. Wir wollen kein börsennotiertes Unternehmen werden, bei dem wichtige Entscheidungen von außen in die Gesellschaft getragen werden, weil der Börsenkurs es in den Augen der Analysten erfordert. Statt Energie zu vergeuden, um Quartalsberichte zu erstellen oder Analystenkonferenzen abzuhalten, nutzen wir unsere Kraft lieber, um Leistung und Service für unsere Kunden zu verbessern.

Ihr Pressesprecher ist gerade mal sechs Monate im Amt. Wie lange wird er denn bleiben?
Geißinger: INA verträgt mehr Öffentlichkeit, als sie denken. Wir haben ja auch erkannt, dass wir in diesem Bereich mehr tun müssen. Damit meine ich nicht die Veröffentlichung von Zahlen, sondern das öffentliche Darstellen unserer Leistung. Etwa um INA attraktiv zu machen für neue Mitarbeiter, aber auch um den Bekanntheitsgrad von INA in der Welt zu erhöhen. Wir machen nämlich viel mehr als nur Nadellager. Und das wollen wir künftig stärker nach außen kommunizieren.

Werden wir Sie jemals auf einer Bilanzpressekonferenz sehen?
Geißinger: Wenn Sie damit eine Bilanzpressekonferenz der FAG meinen, dann ja. Autor: Das Gespräch führte andreas fischer-kablitz
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Bilanzpressekonferenzen
Deutsche Börse AG
FAG Kugelfischer
Klaus Esser
Mannesmannröhren-Werke AG
Porsche
Vodafone
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen