Die Tarifverhandlungen im Bereich Metall und Elektro, der für Mainfrankens Wirtschaft besonders wichtig ist, starten zwar erst in drei Monaten. Doch schon jetzt beziehen beide Seiten Position. So hat die IG Metall ein Lohnplus von bis zu acht Prozent ins Spiel gebracht. Acht Prozent, so hoch ist derzeit etwa die Inflationsrate. Die Arbeitgeber halten wie erwartet dagegen.
Klar ist, das wird ein heißer Herbst. Im Mittelpunkt steht die Frage: Wer darf in diesen so teuer gewordenen Zeiten wie viel verlangen oder ablehnen? Und: Wann werden die Forderungen unverschämt?
Thomas Höhn ist seit einem Jahr Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt. Er sagt, wo für ihn die Grenzen sind.
Frage: Herr Höhn, eine Arbeiterin geht zu ihrem Chef und will acht Prozent mehr Lohn, weil die Inflation bei acht Prozent liegt und binnen eines Jahres alles um acht Prozent teurer geworden ist. Was halten Sie von der Forderung?
Thomas Höhn: Die massiven Inflationsraten sind für viele Menschen existenzbedrohend. Ich halte die Forderung der Frau deshalb für absolut angemessen. Die Unternehmen versuchen ebenfalls und oft erfolgreich, die gestiegenen Herstellungskosten über Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben um die Margen zu sichern. Es ist nachvollziehbar, dass auch die Beschäftigten den Wunsch haben, den Wert ihrer Arbeitskraft anzupassen.
Der Chef lehnt ab, die Arbeiterin ist frustriert. Was raten Sie ihr?
Höhn: Ich rate ihr, sich mit ihren Kolleginnen und Kollegen zusammenzuschließen um gemeinsam mit ihrem Chef zu verhandeln und – falls notwendig – ihre Forderungen auch mit Streiks durchzusetzen. Das ist das, was nur eine Gewerkschaft wie die IG Metall machen kann – und, durch das Grundgesetz geschützt, auch machen darf.
Geht die Arbeiterin einkaufen oder ins Café, hat sie im Gegensatz zu früher Mühe, ihre Rechnungen zu bezahlen. Wie gehen Sie mit dieser Situation um?
Höhn: Zuerst einmal macht mich das betroffen. Aber es motiviert mich gleichzeitig bei meiner Arbeit als Gewerkschafter. Wir sind auch auf der politischen Bühne aktiv. Die ist hier gefragt. Lösen kann man das Problem nicht nur durch höhere Löhne. Gerade wird auch bei vielen Produkten Kasse gemacht und es werden Zusatzgewinne eingestrichen. Wir haben eine Kampagne gestartet, die sich dafür einsetzt, dass solche Übergewinne abgeschöpft werden.
Der Geschäftsführer eines mittelständischen Metall-Unternehmens klagt über Material- und Fachkräftemangel sowie über massiv gestiegene Energie- und Einkaufspreise. Acht Prozent mehr Lohn – oder nicht? Für welche Position haben Sie mehr Sympathie und warum?
Höhn: Natürlich kann ich auch den Geschäftsführer verstehen. Aber das ändert nichts an der Notwendigkeit der Entgeltforderung der Arbeiterin. Steigen die Löhne unterhalb der Inflationsrate führt das zu einem Kaufkraftverlust und damit zu einem Rückgang der Nachfrage der privaten Haushalte. Und das kann nicht im Interesse der Unternehmen liegen.
Der Unternehmer hält entgegen, dass er bei einer Lohnerhöhung seine Preise nach oben schrauben wird. Ein Volkswirt würde einwerfen, dass diese sogenannte Lohn-Preis-Spirale hochgefährlich sei, weil sich alles aufschaukele.
Höhn: Da gehe ich gerne in die Diskussion: Aktuell erleben wir aus meiner Sicht keine Lohn-Preis-, sondern vor allem eine Gewinnsicherungs-Preis-Spirale. Circa 70 Prozent der Unternehmen gelingt es, ihre gestiegenen Kosten zumindest teilweise durch Preiserhöhung weiterzugeben. Wenn es okay ist, dass die Betriebe die Preise erhöhen, um ihre Margen zu sichern, dann sollte das den Beschäftigten auch zugestanden werden. Ganz abgesehen davon, dass unser Volkswirt auch weiß, dass aktuell die Verbraucher einen Großteil des Wirtschaftswachstums tragen. Das wird auch zukünftig nur so bleiben, wenn die Reallöhne nicht komplett in den Keller rauschen.
Wenn jemand meint, in diesen Zeiten acht Prozent mehr Lohn zu verlangen, sei unverschämt. Was sagen Sie?
Höhn: Ich zeige ihm auf, dass in der Metall- und Elektroindustrie die Entgelte – gerade mit Blick auf die Corona-Krise – seit 2018 nur sehr moderat erhöht wurden. Dass wir in dieser Zeit vor allem versucht haben, die Arbeitgeber mit Tarifverträgen zur Investition in die Zukunft zu bewegen oder mehr Flexibilität in der Arbeitszeit zu gewährleisten. Die Industrie hat in dieser Zeit weitgehend gut verdient und tut das immer noch. Unsere Forderung versucht zudem lediglich, die Reallöhne – also das, was man sich tatsächlich von einer Arbeitsstunde leisten kann – stabil zu halten. Unverschämt ist das, so denke ich, nicht.
8 Prozent mehr Lohn: Arbeitgeber sagen „Nein“
Der Verband der bayerischen Metall- und Elektro-Industrie (vbm) hat erwartungsgemäß die Forderung der IG Metall nach 8 Prozent mehr Lohn zurückgewiesen. Das sei „deutlich überzogen und nicht situationsgerecht“, so vbm-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt in einer Mitteilung. Die hohen Preise träfen Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher gleichermaßen. Der vbm ist in den Tarifverhandlungen der Gegenpart zur IG Metall.
Probleme der Wirtschaft sieht der Verband vor allem in Folge des Ukraine-Kriegs, der Energie- und Gas-Krise sowie der Corona-Pandemie. Dass die Unternehmen eine gute Auftragslage hätten, wie es die IG Metall behaupte, sei vor diesem Hintergrund „kein Beleg für eine gute Konjunktur“, so Brossardt.
Fehlende Teile und Vorprodukte führen dem vbm-Chef zufolge dazu, dass Aufträge nicht abgearbeitet werden können. Also fehle den Betrieben Umsatz – bei steigenden Kosten. „Das zehrt an der finanziellen Basis.“ (aug)