Gerade jetzt im Sommer, wenn der Durst kommt, wird einem das Müll-Problem bewusst. Der Discounter verkauft das Mineral- wasser in Plastikflaschen, diese sind zusätzlich in eine zähe Folie eingeschweißt. Der Sechserpack Bier be- steht aus Karton, der bald im Abfall landet. Und die Dose feiert ein Comeback. So kommt es, dass trotz aller Bemühungen um mehr Umweltschutz das Müllaufkommen in Deutschland wächst. Zwischen 2004 und 2014 ist allein der Verbrauch an Getränkeverpackungen von 464 800 Tonnen auf 600 300 Tonnen gestiegen, das geht aus einer Anfrage der Grünen an die Bundesregierung hervor. Enthalten sind darin auch Verschlüsse, Etiketten, Folien oder der Sixpack-Karton. „In Deutschland klafft eine große Lücke zwischen politischem Anspruch und Wirklichkeit“, kritisiert Grünen-Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. Es sei „erschreckend“, dass der Anteil der Getränke-Einwegverpackungen rasant steigt.
Eigentlich wollte die Bundesregierung einmal genau das Gegenteil erreichen. Der Mehrweg-Anteil sollte steigen. Als Ziel ist im Gesetz ein Mehrweg-Anteil von 80 Prozent vorgesehen. Auch deshalb ist 2003 das Pfand auf Einwegflaschen und Dosen eingeführt worden. Doch die Mehrweg-Ziele werden seit Jahren verfehlt. Bei alkoholfreien Getränken betrug der Mehrweg-Anteil zuletzt gerade einmal 23,8 Prozent, berichten die Grünen.
Wie reagieren? Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass der Einkäufer im Supermarkt nicht klar erkennt, ob er eine Mehrweg- oder eine Einwegflasche kauft. Schließlich wird auf beides Pfand fällig. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will jetzt das Verpackungsgesetz ändern. Supermärkte sollen künftig klarer kennzeichnen, welche Flaschen wirklich Mehrwegflaschen sind. Dafür soll es Hinweisschilder geben. Auf die Mehrwegquote von 80 Prozent soll dagegen verzichtet werden. Sie sei „rechtlich nicht durchsetzbar“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage der Grünen.
Für den Grünen-Bundestagsabgeordneten Peter Meiwald gehen die Pläne in die falsche Richtung. „Je höher der Anteil an Mehrwegflaschen und -verpackungen ist, desto mehr Müll wird vermieden“, sagt er. Für die Bundesregierung sei das Ziel, den Mehrweg-Anteil auszubauen, aber nicht mehr erstrebenswert. „Statt jetzt endlich den Mehrweg-Anteil zu steigern, wird im Entwurf für ein Verpackungsgesetz lieber das Ziel abgeschafft, den Anteil von umweltfreundlichen Mehrwegflaschen auf 80 Prozent zu erhöhen – ein Bärendienst für die Umwelt und eine Kapitulation vor der Einweglobby“, sagt Meiwald. Und der Müll, den Getränke verursachen, ist nur ein Bruchteil des Abfalls, der jeden Tag in Deutschland entsteht. Die Menge an Verpackungen stieg von 2003 bis 2013 von 15,5 Millionen Tonnen auf 17,1 Millionen Tonnen. Pro Bundesbürger und Jahr sind das 212,5 Kilogramm an Glas, Kunststoff, Karton, Alu oder Weißblech, berichtet das Umweltbundesamt, das demnächst neue Zahlen vorlegen will.
Gründe dafür gibt es einige, das geht aus einer eigenen Anfrage Meiwalds an die Regierung hervor. Die Nutzungsdauer von Elektrogeräten, Möbel oder Spielwaren sinkt, jedes neue Gerät aber ist neu verpackt. Dazu kommt, dass der Online-Handel wächst. Und mit ihm die Flut an Verpackungen. Immer häufiger essen die Bundesbürger zudem außer Haus und benutzen Einwegteller und Pappbecher. Deutschland weist damit in der EU das höchste Verpackungsaufkommen auf, berichtete die Bundesregierung. „60 Prozent des in Supermärkten verkauften Obsts und Gemüses ist in Plastik verpackt“, sagt Meiwald. „Gerade der Boom von Produkten wie Kaffeekapseln, Coffee-to-go-Bechern und Einwegflaschen hat massive Umweltfolgen.“
Es könnten aber mehr Abfälle aus den Haushalten recycelt werden. Auch die ausgediente Bratpfanne, das kaputte Plastikspielzeug oder der alte Blumentopf aus Plastik sollten wiederverwertet werden. Rund fünf Kilo Wertstoffe pro Einwohner und Jahr könnten zusätzlich ge- trennt vom Hausmüll gesammelt werden, berichtet Matthias Fabian vom Umweltbundesamt. Doch der Plan einer bundesweiten Wertstofftonne ist dem neuen Entwurf des Verpackungsgesetzes von Umweltministerin Hendricks zufolge wie- der vom Tisch.
Im Umweltbundesamt ist man darüber nicht glücklich. „Wir bedauern, dass die bundesweite Wertstofftonne offensichtlich nicht kommt, wie sie ursprünglich geplant war“, sagt Fabian. Geht es nach dem Entwurf für das Verpackungsgesetz, können die Kommunen aber künftig in Abstimmung mit den Dualen Systemen entscheiden, ob zum Beispiel Pfannen und Plastikspielzeug auch in die gelbe Tonne oder den gelben Sack geworfen werden können – falls die Mülltrennung vor Ort nicht ganz anders erfolgt, zum Beispiel über Wertstoffhöfe.
„Wir hoffen, dass möglichst viele Kommunen davon Gebrauch machen und mit den Dualen Systemen eine Vereinbarung über die lokale Einführung einer Wertstofftonne treffen“, sagt Fabian. „Für Umwelt und Verbraucher wäre das eine sehr praktische Lösung.