Die verstaatlichte Immobilienbank Hypo Real Estate bleibt für den Bund ein großes Risiko. Im Musterprozess um Schadenersatz vor dem Oberlandesgericht München haben die ehemaligen Aktionäre gute Karten. Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy stellte am Montag nochmals klar, dass die Bank „verpflichtet“ gewesen wäre, die Anleger früher über ihre Probleme im Jahr 2007 zu informieren. Da die Hypo Real Estate seit der Notverstaatlichung im Jahr 2009 im Staatsbesitz ist, würde der Schadenersatz letztlich die Steuerzahler in Deutschland belasten.
Ehemalige Aktionäre werfen der HRE vor, zu spät auf ihre Probleme durch die Finanzkrise hingewiesen zu haben. Am 15. Januar 2008 hatte der Konzern in einer Pflichtmitteilung massive Belastungen bekannt gegeben und damit die Börse geschockt. Innerhalb eines Tages brach die Aktie um mehr als ein Drittel ein und sackte danach weiter ab. Viele Aktionäre verloren dadurch ein Vermögen. Insgesamt fordern die Kläger in dem Prozess rund 1,1 Milliarden Euro Entschädigung.
Der Vorsitzende Richter Kotschy hat den Anlegern Hoffnung gemacht. Nach Einschätzung des Gerichts wusste das Unternehmen bereits Mitte November 2007 von Belastungen aus der US-Finanzkrise, informierte die Anleger aber erst am 15. Januar 2008 in einer Mitteilung darüber. Für Aktienkäufe in diesem Zeitraum stehen die Chancen auf Schadenersatz gut. Die Kläger fordern zwar auch für spätere Aktienkäufe im Jahr 2008 eine Entschädigung. Dies schließt der Richter aber aus: Die Ad-Hoc-Mitteilung stelle für das Gericht eine Zäsur dar, danach sei das Vertrauen in die „Redlichkeit“ der HRE erschüttert gewesen.
Die Hypo Real Estate galt als ein solides Unternehmen. Die Aktie war vor ihrer Krise im Dax notiert, also in der ersten Liga der Börse in Deutschland. Viele Anleger dachten, dass ihr Geld besonders gut angelegt ist, weil die Hypo Real Estate auf die Finanzierung großer Immobilienprojekte weltweit spezialisiert war. Im September 2008 geriet die HRE aber in größte Not, weil ihre irische Tochter Depfa Geld langfristig verliehen und sich extrem kurzfristig refinanziert hatte. Nach der Lehman-Pleite ging diese Rechnung nicht mehr auf und sie kam nicht mehr an Geld: Es fehlten plötzlich 35 Milliarden Euro.
Am Landgericht München gingen nach dem HRE-Drama unzählige Schadenersatzklagen ehemaliger Anleger ein. Statt jede einzeln zu verhandeln, werden zentrale Fragen der Beweisaufnahme nun in dem Musterverfahren geklärt. Der Prozess sei deshalb richtungsweisend, sagte die Anwältin Daniela Bergdolt, die zahlreiche HRE-Anleger in anderen Verfahren vertritt. Am 27. Mai geht der Prozess weiter. Grundlage ist das „Kapitalanleger Musterverfahrensgesetz“.
Weil er nicht gekommen ist. Georg Funke war Anfang Februar als Zeuge geladen, hatte seinen Auftritt aber in letzter Minute abgesagt. Sein Anwalt begründete dies mit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die gegen Funke laufen. Mit der Anklage gegen ihn und weitere Ex-Manager der Hypo Real Estate wird in Kürze gerechnet. Funke war nach dem Desaster bei der HRE von München nach Mallorca gezogen und handelte dort eine Zeit lang mit Ferienimmobilien. In Interviews wehrte er sich aber aus der Ferne gegen den Vorwurf, Schuld für das HRE-Drama zu tragen.