Charles de Gaulle hatte so seine Zweifel. Der Krieg war noch keine zwei Jahrzehnte vorbei, als die damalige französische Regierung begann, ihre Dollarreserven im großen Stil in Gold zu tauschen. Der Gedanke, dass dieser Schatz in den Tresoren der amerikanischen Notenbank lagern sollte, behagte dem Präsidenten nicht. Um das Gold „dem Zugriff einer fremden Macht“ zu entziehen, ließ de Gaulle es 1966 nach Paris schaffen. Der größte Teil der deutschen Goldreserven liegt noch immer in New York, sauber gestapelt in ziegelsteingroßen Barren im Keller der Federal Reserve.
Wie viel genau, verrät die Bundesbank nicht: Staatsgeheimnis. Insgesamt, das weiß man, sind die Goldvorräte der Deutschen etwa 3400 Tonnen schwer, auf mehrere Hochsicherheitsdepots in Manhattan, London, Paris und Frankfurt verteilt und gut 140 Milliarden Euro wert. Nur überprüft hat das seit Jahren niemand mehr, weshalb der Haushaltsausschuss des Bundestages demnächst eine diplomatisch heikle Frage zu erörtern hat: Soll die Bundesbank sich darauf verlassen, dass ihr Gold bei den anderen Notenbanken in sicheren Händen ist – oder soll sie Mitarbeiter regelmäßig zu einer Art Inventur in deren Tresore schicken? Verschwörungstheoretiker wie der frühere „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust argwöhnen schon lange, dass es die deutschen Goldvorräte nur noch auf dem Papier gibt. Der Bundesrechnungshof dagegen, der den Umgang mit ihnen für den Haushaltsausschuss überprüft und sein Gutachten fast fertig hat, dürfte etwas trockener argumentieren: Nach den gängigen Bilanzierungsregeln müssen die Goldvorräte alle drei Jahre auf ihre Vollständigkeit überprüft werden – und zwar durch eine „körperliche Inaugenscheinnahme“, wie Juristen das nennen. Zum letzten Mal ist das offenbar vor mehr als fünf Jahren geschehen. Wie das Finanzministerium dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler auf eine Anfrage bestätigte, haben Mitarbeiter der Bundesbank am 11. Juni 2007 in Washington „die Tresoranlagen betreten und besichtigt, in denen in 122 Räumen Gold gelagert ist“. Außerdem hätten sie sich bei anderen Notenbanken mit deutschem Gold die Sicherheitsvorkehrungen erklären lassen und „Bestandsprüfungen“ durchgeführt. Alle Barren nachgezählt, geschätzte 200 000 Stück, hat niemand. Für ihre Bilanz genügen der Bundesbank sogenannte Barrenlisten und eine Bestätigung der jeweiligen Notenbank über die Menge des bei ihr verwahrten Goldes. Für Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter war die Sache klar: „Die Goldbestände werden gemäß den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung erfasst und bewertet.“ Skeptiker wie Gauweiler treibt weniger die Sorge um, dass Mitarbeiter der Fed den einen oder anderen Barren im Lauf der Jahrzehnte haben mitgehen lassen. Sie wollen sichergehen, dass die Notenbanken nicht Teile der Bestände verliehen haben wie an der Börse auch Aktien geliehen, verkauft und wieder zurückgekauft werden können. Unausgesprochen schwingt der Verdacht mit, dass mit den deutschen Goldreserven spekuliert wird. Tatsächlich hat sich auch die Bundesbank schon auf solche Leihgeschäfte eingelassen – in geringem Umfang. Inzwischen, heißt es, tue sie das nicht mehr. Aber auch sonst versteht ihr Präsident Jens Weidmann die Aufregung nicht. „Wir vertrauen unseren Partnern“, sagt er. Bei Bedarf ist das Gold der Deutschen in den Gitterkammern der Fed leicht zu identifizieren: Jeder Barren hat eine Nummer, einen Stempel für den Reinheitsgrad und ein Siegel.
Dass der größte Teil der Reserven in den USA lagert, hat mit dem Wirtschaftswunder und dem Kalten Krieg zu tun. In den späten 50er und den frühen 60er Jahren hatte die Bundesrepublik ihre Währungsreserven wie Frankreich größtenteils in Dollar angelegt und sie dann bei der amerikanischen Notenbank in Gold getauscht. Aus Angst vor einem Eskalieren des Ost-West-Konfliktes und einem russischen Überfall hielten es die jeweiligen Bundesregierungen und die Bundesbank bis zum Fall der Mauer für sicherer, den Goldschatz im Ausland zu deponieren. Erst nach der Wiedervereinigung kam ein Teil des Goldes zurück nach Frankfurt. Gegen einen Rücktransport weiterer Bestände spricht auch die ökonomische Vernunft: Für den Fall, dass die Bundesbank doch noch Gold verkaufen will oder muss, ist New York der beste Handelsplatz.