Die Spannung wächst: Am Sonntag um 12 Uhr will die Europäische Zentralbank die Ergebnisse ihrer umfangreichen Überprüfung der 130 größten Banken der Eurozone vorlegen. Dann wird nach Monaten der Spannung feststehen, wie groß mögliche Kapitallücken sind. Die deutschen Banken gaben sich zuletzt entspannt. Allgemein wird inzwischen damit gerechnet, dass trotz einiger Wackelkandidaten alle 24 geprüften Geldhäuser den Test bestanden haben. Durchfaller werden vor allem unter den kleineren Instituten in Südeuropa erwartet.
Es sei wahrscheinlich, „dass alle deutschen Banken der Stresstest überlebt haben“, zitierte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ den Co-Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, in dessen Funktion als Präsident der Bundesverbandes deutscher Banken.
Das hieße, dass auch die zuletzt als größter Wackelkandidat gehandelte HSH Nordbank durchkommen würde. Die EZB hatte allerdings vor voreiligen Schlüssen gewarnt. Bis zum Sonntag seien alle Resultate vorläufig und alle Schlussfolgerungen über das Abschneiden von Instituten spekulativ. Am Donnerstagmittag übermittelte die EZB die vorläufigen Endergebnisse den Banken. Bis Samstagmittag haben die Institute nun Zeit, mögliche Korrekturen anzumelden und der Veröffentlichung der Zahlen zuzustimmen. Endgültig feststehen werden die Ergebnisse am Sonntag um 12 Uhr, wenn die EZB sie nach einer Sitzung des EZB-Rats veröffentlicht. Institute, die an den Kapitalvorgaben scheitern, müssen dann binnen zwei Wochen Pläne vorlegen, wie sie ihre Lücken schließen wollen.
Die EZB prüfte in den vergangenen Monaten 130 Geldinstitute im Euroraum auf Herz und Nieren. Dabei schaute sie sich zunächst die Bilanzen der Banken an und checkte, ob Millionen von Krediten richtig bewertet sind. Anschließend schickten die Aufseher die Institute durch einen Stresstest mit einem simulierten Konjunktureinbruch samt Verfall von Immobilienpreisen. Im Kern geht es um die Frage: Verfügen die Institute über genügend eigenes Kapital, um im Fall einer neuen Krise nicht in die Knie zu gehen. Durchgefallene Institute haben sechs bis neun Monate Zeit, um die Lücken zu schließen.
Viele Banken haben reagiert. So beschafften sich etwa im zweiten Quartal die Deutsche Bank und die italienische Monte dei Paschi frische Milliarden über Kapitalerhöhungen. Mit den Test will die EZB neues Vertrauen in die Stabilität der Banken schaffen. Die bisherigen Stresstests seit der Finanzkrise in Europa hatten das nicht geschafft. Mit den neuen Tests verbindet die EZB die Hoffnung, dass die Banken auch wieder mehr Kredite an die Wirtschaft geben. Höhere Investitionen der Unternehmen könnten die schwächelnde Konjunktur im Euroraum beflügeln. Die Überprüfung ist für die EZB ein Balanceakt. Einerseits müssen die Tests so hart sein, dass sie an den Finanzmärkten auch ernstgenommen werden. Gefährlich wäre aber, wenn zu große Kapitallücken auftreten würden. Das könnte die Banken in neue Krisen stürzen. Analysten hatte sich zuletzt zuversichtlich gezeigt, dass die Löcher überschaubar sein dürften. Das „Wall Street Journal“ schrieb, dass sich die gesamte Kapitallücke auf etwa zehn Milliarden Euro belaufen dürfte. Die spanische Nachrichtenagentur Efe hatte berichtet, dass mindestens elf Banken durchgefallen sein dürften. Hintergrund der Prüfungen ist der Start der Bankenaufsicht bei der EZB. Die Notenbank übernimmt am 4. November die Kontrolle über die 120 wichtigsten Banken in der Währungsunion – und muss dazu über den Zustand der Kreditwirtschaft Bescheid wissen.
Stresstest in Zahlen
- Acht Prozent hartes Kernkapital müssen Banken am Ende von Bilanzcheck und Stresstest vorweisen. Kapital also, das im Falle von Verlusten uneingeschränkt zur Verfügung steht.
- 24 Institute aus Deutschland hat die EZB unter die Lupe genommen: 23 deutsche plus den Deutschland-Ableger der schwedischen SEB.
- 120 führende Banken im Euroraum werden vom 4. November an zentral von der EZB überwacht. 124 Banken hat die Bankenaufsicht EBA im Stresstest untersucht, darunter auch in Nicht-Euro-Ländern. - 2000 Aufseher und Wirtschaftsprüfer waren allein in Deutschland mit der Überprüfung der Banken beschäftigt.
- 2013 ist das Ausgangsjahr für die Bankentests.
- 6000 Aufseher und Prüfer waren in ganz Europa mit den Tests befasst – plus Mitarbeiter bei den Banken.
- Im zweistelligen Millionenbereich sehen Banken die Kosten für die Übung. Fast 500 Millionen Euro kosten die Bankenchecks nach Berechnungen der „Financial Times“ die EZB und Aufsichtsbehörden. text: dpa