Rein optisch passt Hervé Falciani blendend in die Rolle des edlen Ritters, der im Kampf gegen Steuerflucht und Geldschieberei viel riskiert. Der elegante 42-jährige Franko-Italiener steht hinter den Enthüllungen über Steuerbetrug, die die Genfer Filiale der HSBC-Privatbank Tausenden ihrer Kunden ermöglicht hat. Er war es, der zwischen Oktober 2006 und Dezember 2008 als Informatiker des Geldhauses massenweise geheime Daten gespeichert und diese später weitergegeben hat.
Medien nennen ihn den „Edward Snowden der Banken“. Falciani weiß sich zu inszenieren als idealistischer Vorkämpfer gegen illegale Machenschaften. In einem seiner vielen Interviews hat er erklärt, es sei „etwas Schönes und Berauschendes, die Wahrheit aufzudecken“. Nun kündigte der smarte IT-Spezialist „eine neue Flutwelle“ an Informationen an, die CIA helfe ihm. Doch mit seinen Verlautbarungen sollte man vorsichtig umgehen: Wiederholt verstrickte sich der Sohn eines italienischen Bankers und einer französischen Friseurin, der in Monaco geboren wurde, in Widersprüche. Hat er bislang den Klau der Daten zugegeben, spricht er nun von Komplizen bei der HSBC-Bank, die diese auf eine Cloud geladen und ihm so zur Verfügung gestellt hätten.
Fabrice Lhomme und Gérard Davet von der Zeitung „Le Monde“ bezeichnen den „Banken-Whistleblower“ als „Großmaul, Glücksspieler und Schwimmbad-Aufreißer“: Der leidenschaftliche Pokerspieler, der bei den Frauen zu landen weiß, sei eigentlich „nicht gerade der Typ Mensch, dem man die Geheimnisse einer der mächtigsten Privatbanken der Welt anvertraut“. Das zeigt auch sein kurioser Lebenslauf. Nach einer ersten Anstellung im Kasino in Monte-Carlo kommt er als Informatiker zur HSBC, zunächst in Monaco und im März 2006 zur Genfer Filiale. Ein Ex-Kollege bezeichnet ihn als „technisch ziemlich brillant, aber menschlich einen Manipulierer“. Schnell ist Falciani unzufrieden mit seinem Posten und dem Gehalt und beginnt, Daten zu speichern, die durch eine Umstellung des Informatiksystems zeitweise unverschlüsselt sind. Seine franko-libanesische Kollegin Georgina Mikhael, mit der der verheiratete Falciani eine Affäre beginnt, wird seine Komplizin. Sie sagt später aus, er sei „wahrlich kein Robin Hood“, sondern habe die Daten mit dem Ziel gestohlen, sie zu Geld zu machen. Zu diesem Zweck fährt das Paar in den Libanon, doch alle Verkaufs-Versuche scheitern. Die Schweizer Behörden bekommen Wind, hören beide ab und nehmen sie fest. Doch als sie ihn unter Auflagen gehen lassen, flieht Falciani nach Frankreich, wo er dem Fiskus fünf DVDs mit Datensätzen übergibt.
Auch die Steuerbehörden anderer Länder interessieren sich dafür. Bei einem Aufenthalt in Spanien wird Falciani fast ein halbes Jahr inhaftiert, aber nicht in die Schweiz ausgeliefert. Diese sucht ihn wegen Verletzung des Bankengeheimnisses, doch er erklärt, er wolle „eine neue Seite aufschlagen, eine Namensänderung beantragen, wieder ein normales Leben führen“. Sein Wohnort ist unbekannt, er wird ständig bewacht, ist bei den französischen Steuerbehörden beschäftigt.
Zugleich hat Falciani erste Schritte in die Politik gemacht, arbeitet mit der spanischen Linkspartei Podemos zusammen und war bei den Europa-Wahlen 2014 Spitzenkandidat für die Partei Partido X, die aus der Protestbewegung „Los Indignados“ („Die Empörten“) entstand. Gewählt wurde er nicht. Vielleicht fanden die Wähler Falciani nicht vertrauenserweckend genug.