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Berlin
Gläserne Firma oder Scherbenhaufen?
Deutsche Familienunternehmen warnen eindringlich vor ausufernden Offenlegungspflichten: Über sensible Daten im Internet freut sich nur die Konkurrenz.
Ausufernde Offenlegungspflichten verletzen zunehmend den Datenschutz von mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Das sagt die Stiftung Familienunternehmen. 
Foto: Sebastian Gollnow, dpa | Ausufernde Offenlegungspflichten verletzen zunehmend den Datenschutz von mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Das sagt die Stiftung Familienunternehmen. 
Bernhard Junginger
 |  aktualisiert: 01.04.2019 02:11 Uhr

Transparenz hat in der Wirtschaft eigentlich einen positiven Klang. Doch wenn ein Unternehmen allzu „gläsern“ wird, wenn Konkurrenten und Großkunden in aller Welt Zugang zu sensiblen Firmendaten erhalten, dann, so warnt die Stiftung Familienunternehmen, kann die Wettbewerbsfähigkeit schnell in Scherben liegen. Das Sprachrohr der überwiegend familienkontrollierten oder eigentümergeführten Firmen in Deutschland kritisiert, dass ausufernde Offenlegungspflichten zunehmend den Datenschutz von Unternehmen verletzten. Gerade Familienunternehmen, in diese Kategorie fallen rund 90 Prozent der deutschen Unternehmen, könnten dadurch gegenüber internationalen Konzernen, für die solche Pflichten nicht gelten, ins Hintertreffen geraten.

Kollision mit deutschem Verfassungsrecht 

Der Wissenschaftliche Beirat der Stiftung, dem etwa der frühere Bundesverfassungsrichter Udo Di Fabio oder der Präsident des Ifo-Instituts, Clemens Fuest, angehören, sieht im Falle der Familienunternehmen zudem Persönlichkeitsrechte und sogar die Sicherheit der Unternehmer und ihrer Angehörigen gefährdet. Mit den kürzlich von der Europäischen Union erlassenen Offenlegungspflichten geht die Stiftung hart ins Gericht. Für Vorstand Rainer Kirchdörfer sind diese nicht nur schädlich, sie kollidieren auch mit dem deutschen Verfassungsrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Als Beispiel nennt er das europaweite Transparenzregister, in dem ab 2020 weitreichende Angaben von Personen, die mehr als 25 Prozent einer Firma halten oder kontrollieren, veröffentlicht werden sollen. Im Internet wären dann etwa Namen, Geburtsmonat und -jahr, Wohnsitzland der Gesellschafter sowie Art und Umfang der Beteiligung für jedermann sichtbar.

Gesellschafter unter Generalverdacht

Für Kirchdörfer ein „nicht hinnehmbarer Eingriff in die Privatsphäre“, der nicht nur im Unternehmen beschäftigte Familienmitglieder betreffe, sondern auch solche, die einer anderen Tätigkeit nachgehen oder studieren. Dass das Transparenzregister wie von der EU erhofft Geldwäsche und Terrorfinanzierung verhindert, sei nicht zu erwarten, Geld lasse sich von Kriminellen auch künftig durch dunkle Kanäle schleusen. Unbescholtene Gesellschafter von Familienunternehmen würden dagegen „unter Generalverdacht gestellt“.

Noch eindringlicher warnen die Familienunternehmen, die fast 60 Prozent aller Arbeitsplätze in Deutschland stellen, vor dem von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen öffentlichen Country-By-Country-Reporting (CbCR). Bereits jetzt pflegen rund 70 Staaten einen vertraulichen Austausch von Steuerdaten. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro sind verpflichtet, für jedes Land, in dem sie tätig sind, Gewinn und Steuern aufzuschlüsseln. Geteilt werden dieses Angaben nur zwischen den Finanzbehörden, für die Öffentlichkeit sind sie nicht sichtbar.

Gefahr für sensible Unternehmensdaten

Die Europäische Kommission schlägt nun vor, einseitig noch deutlich über diese Vereinbarung hinauszugehen. Firmen aus Europa sollen demnach sensible Unternehmensdaten ins Internet stellen. Für die Familienunternehmer ein Gräuel, denn Wettbewerber oder Kunden könnten die Daten über die Profitabilität von Firmenunternehmen nutzen, um Geschäftsmodelle zu kopieren, Firmengeheimnisse auszuforschen oder Preise zu drücken. „Es ist wichtig, die zuständigen Behörden in die Lage zu versetzen, für eine faire Besteuerung zu sorgen“, sagt Rainer Kirchdörfer. Denn Familienunternehmen seien die ersten Opfer, wenn international tätige Großkonzerne ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzierten. Doch über das Internet Wettbewerber zu bevorteilen, die oft in Staaten ansässig sind, in denen keine Veröffentlichungspflichten gelten, könne, so Kirchdörfer „keineswegs im Interesse europäischer Firmen sein“.

Die deutschen Familienunternehmen, sagt Rainer Kirchdörfer, bekennen sich „zu angemessener Transparenz“ – aber nicht auf Kosten des Schutzes wertvoller Daten.

 
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