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BRÜSSEL
Gewinner und Verlierer der Krise
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 02.04.2019 10:29 Uhr

Giorgos Papandreou wollte nach seiner Wahl wohl nur alles richtig machen und die Schuld(en) seinen Vorgängern in die Schuhe schieben. Also korrigierte der Sozialdemokrat – im Oktober 2009 gerade erst ins Amt gekommen – die offiziellen Zahlen zur Verschuldung des Landes nach oben: von den bisher bekannten 3,7 Prozent auf 12,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Es war der Beginn einer Katastrophe für das Land. Binnen weniger Wochen eskalierte die Situation, Athen bat den Internationalen Währungsfonds um ein Hilfsprogramm. Die Euro-Zonen-Regierungen zogen die Daumenschrauben an: Frankreichs damaliger Staatspräsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel forderten die Hellenen auf, entweder alle laufenden Kredite zurückzuzahlen oder den Euro zu verlassen. Das Gespenst des Grexit war geboren.

Nur wenig später war Papandreous Regierung faktisch zahlungsunfähig. Ein IWF-Zuschuss von 30 Milliarden reichte nicht aus, 2010 verständigten sich die Euro-Partner auf ein erstes Hilfspaket von zusätzlich 80 Milliarden Euro. Aber es gab noch keinen Rettungsschirm. Also brach man ein Tabu des Euro-Paktes: Die Länder der Währungsunion schickten bilaterale Hilfen nach Athen.

Natürlich sollte die Regierung jeden Cent zurückzahlen. Die eigentliche Hilfe bestand vor allem darin, dass man Griechenland ersparen wollte, sich selbst Geld beschaffen zu müssen, für das bereits damals astronomische Zinsen hätten aufgebracht werden müssen. 2013 war klar: Das reichte nicht. Inzwischen hatten die Euro-Partner den Rettungsschirm institutionalisiert und den EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität) gegründet. IWF und Euro-Zone legten noch einmal 163,6 Milliarden Euro zusammen. 2015 wollte die Regierung des damals neu gewählten Premiers Alexis Tsipras die lästigen Reformauflagen der Geldgeber abschütteln, es misslang. Ein drittes Hilfspaket über 86 Milliarden Euro wurde zusammengeschnürt. Es wird nicht voll ausgenutzt.

Doch den Griechen stand eine Tortur ohne Beispiel bevor. Die öffentliche Verwaltung musste um 15 000 Stellen personell abgespeckt und modernisiert werden, um ausstehende Steuern auch wirklich eintreiben zu können. Die Einkommen von Staatsbediensteten wurden um rund 20 Prozent gekürzt, die Renten um zehn bis 15 Prozent, Weihnachtsgelder für Pensionäre gestrichen. Die Selbstbeteiligung bei den Medikamenten stieg an, 200 kleinere Steuerämter wurden geschlossen, eine Privatisierungswelle rollte über das Land. Tsipras, der den Druck der Geldgeber loswerden wollte, mutierte zum braven Vollzieher der Auflagen, die die Euro-Gruppe, die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds und gegen Ende auch der inzwischen gegründete Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) forderten. Ihm blieb keine Wahl.

Und wenn nun von einer Sanierung des Landes gesprochen wird, so muss man doch wissen, dass dies auf einer extrem niedrigen Basis gelingt: Die Wirtschaft ist stellenweise um fast 46 Prozent eingebrochen. Inzwischen ist jedes dritte Kind armutsgefährdet – die höchste Zahl in der EU.

In Deutschland war die Rettungsaktion von Anfang an von großen Ängsten begleitet, weil man befürchtete, dass Athen das Geld (die ersten bilateralen Kredite werden 2020 fällig) niemals zurückzahlen werde.

Tatsächlich sieht die Situation anders aus. Griechenland hat zumindest die Zinsen für das erste Darlehen stets pünktlich bedient, wenn auch teilweise mit Finanzmitteln, die man sich wiederum aus immer neuen Rettungspaketen leihen musste. Doch der Großteil der Zusagen, mit denen die Bundesrepublik einsprang, waren Bürgschaften – und die wurden bisher nicht in Anspruch genommen.

Mehr noch: Das Bundesfinanzministerium bestätigte einen Gewinn von mindestens 2,9 Milliarden Euro. Seit 2010 gab es vor allem Gewinne aus den Ankäufen griechischer Staatsanleihen im Rahmen des sogenannten „Securities Market Programme“ (SMP) der Europäischen Zentralbank. Diese fielen bei der Bundesbank an und wurde dann dem Bundeshaushalt überwiesen.

Trotzdem bleibt ein Risiko: Da die an Griechenland ausgezahlten Darlehen inzwischen Laufzeiten von bis zu 50 Jahren haben und die Rückzahlung erst dann beginnt, lässt sich also noch nicht genau sagen, ob die Bundesrepublik doch noch draufzahlt oder nicht.

Allerdings ist sich die Bundesbank in einem Punkt bereits sicher: Die niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre, die auch mit der Krise auf dem Peloponnes zusammenhängen, haben Deutschland eine Zinsersparnis von rund 240 Milliarden Euro eingebracht – eine Summe, die deutlich über den Zusagen liegt, die wir den Griechen gegeben haben.

Wirtschaftliche Situation in Griechenland       -  Pro-Euro Demonstration in Athen. Die Euro-Finanzminister haben am Donnerstag in Luxemburg über den Abschluss der Hilfen für das hoch verschuldete Griechenland beraten. Deutschland ist einer der größten Profiteure der Milliardenhilfen.Fotis plegas, dpa
Foto: Foto: | Pro-Euro Demonstration in Athen. Die Euro-Finanzminister haben am Donnerstag in Luxemburg über den Abschluss der Hilfen für das hoch verschuldete Griechenland beraten.
 
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